Hanna Beltran suchte nach neuen kreativen Möglichkeiten der analogen Fotografie und stieß eher zufällig auf Filmsuppen. Seitdem tobt sie sich mit ihren Suppen-Kreationen und vorbelichteten Kleinbildfilmen aus. Wir werfen einen Blick in ihren Experimentierkasten.
E s brodelt in der Experimentierküche der Fotografin Hanna Beltran. Seitdem sie die Filmsuppen für sich entdeckt hat, finden verschiedenste Flüssigkeiten, Pulver, aber auch natürliche Zutaten den Weg in ihre „Hexenküche“. Und das sehr erfolgreich. Unter dem Alias Hanalogital verkauft die junge Frau ihre Filme in alle Welt. Wir wollten wissen, welcher kreative Kopf hinter den farbenfrohen Unikaten steckt.
Hanna, erzähl uns von deinen ersten Berührungspunkten und Erfahrungen mit der analogen Fotografie.
Ich erinnere mich an die Kameras meiner Eltern und Großeltern, die bei Urlauben, Geburtstagen und anderen Anlässen allgegenwärtig waren. Manchmal durfte ich sogar selbst damit fotografieren. Mit etwa zehn Jahren bekam ich meine erste eigene Analogkamera geschenkt – eine Konica Z-up 110 Super. Damit habe ich meine Eltern und Schulfreundinnen, meine Kuscheltiere und Kunstwerke aus Legosteinen aufgenommen. 2006 habe ich meine erste digitale Spiegelreflexkamera gekauft und in den folgenden Jahren ausschließlich digital fotografiert.
Vier Jahre später war ich jedoch gelangweilt von den immer perfekt und gleich aussehenden Digitalfotos. Ich wollte meinen fotografischen Horizont erweitern und etwas Neues ausprobieren. So stieß ich auf die Seite von Lomography und auf die große Auswahl an Kameras, Objektiven, Filmen und Zubehör. Zunächst bestellte ich die vollständig aus Kunststoff gefertigte Mittelformatkamera Holga 120 CFN, der weitere analoge Kameras von Lomography, eBay und Flohmärkten folgten.
Nach kurzer Zeit war ich wieder mittendrin in der analogen Fotografie. Rückblickend hat das meine Kreativität zurückgebracht. Ich wähle meine Motive wieder bewusster. Da ich für meine Art der Fotografie meine eigenen experimentellen Kleinbildfilme verwende, nehme ich den Überraschungseffekt verstärkt wahr – und ich liebe das!
Welche Kameras und Objektive empfiehlst du für kreative Bildergebnisse?
Meine Fotografien entstehen zum größten Teil mit einer Canon EOS 300V, einem Tamron AF 55-200 mm F4-5.6 Di II LD Macro und einem Canon 50-mm- F1.8-Objektiv. Manchmal greife ich auch zu meiner Olympus Mju II, wenn ich mit einer handlicheren Kamera unterwegs sein möchte. Meistens begleiten mich aber die Spiegelreflexkamera und das Tamron-Objektiv, da ich am liebsten ganz nah an meinen Motiven bin.
Der Wert meiner Kameraausrüstung ist überschaubar und ich freue mich darüber, denn das zeigt, dass es nicht die teuerste Kamera oder das beste Objektiv sein muss. Bei meiner Art der Fotografie kommt es vor allem auf den verwendeten Film an, wie andersartig und experimentell die Bildergebnisse am Ende sein werden.
„Die analoge Fotografie hat meine Kreativität zurückgebracht.“
Hanna Beltran, Fotografin & Gründerin
Du manipulierst deine Filme selber und kreierst damit deinen ganz eigenen Look. Wie kam der Film in die Suppe?
Bevor mein erster Film in einer Filmsuppe landete, habe ich andere analoge Filmexperimente wie Doppelbelichtungen und selbstgemachte Redscale-Filme ausprobiert. Zudem habe ich mit abgelaufenen Filmen fotografiert und verschiedene Filmformate getestet. Am meisten Spaß machte aber das Experimentieren mit Kleinbildfilmen.
Während meiner Recherchen über analoge Kameras und Filme entstand die Idee, einen Film in Flüssigkeiten einzulegen. In einem Artikel las ich von sogenannten Filmsuppen und war fasziniert davon, Filme so zu manipulieren. Kurzerhand habe einen Kodakfilm in meine erste Filmsuppe geworfen. Da ich mir nicht viel Gedanken über mögliche „Zutaten“ für die Filmsuppe gemacht hatte, bestand meine erste Suppe aus nur einer Zutat: kochendes Wasser. Den Film habe ich für wenige Minuten in Wasser köcheln und anschließend etwa zwei Wochen auf einer Heizung trocknen lassen.
Von den Effekten dieser ersten Filmsuppe war ich ziemlich begeistert und überrascht, dass kochendes Wasser einen so deutlichen Effekt auf dem kompletten Negativstreifen hinterlassen hatte: Es gab kleine Punkte, wellenartige Formen und auch die Farben waren anders, als ich sie von meinen bisherigen Fotos kannte. Der Überraschungseffekt fesselt mich bis heute und motiviert mich, immer neue Filmsuppenkreationen auszuprobieren. In den vergangenen Jahren kamen so 150 verschiedene Filmsuppen zusammen und ich fotografiere mittlerweile nur noch mit meinen eigenen manipulierten Filmen. Jeder Film ist ein Unikat, selbst wenn Filme in die gleiche Filmsuppe eingelegt werden, sind die Effekte einzigartig.
Wie entstehen deine Kreationen?
Anfangs entstanden die Filmsuppen aus den Dingen, die ich zu Hause hatte: Spül- und Putzmittel, Seife, Shampoo, gerne auch ein paar Dinge vermischt und mit kaltem oder heißem Wasser verdünnt. Mittlerweile suche ich in Drogeriemärkten, Lebensmittelgeschäften und Baumärkten nach potenziellen Filmsuppenzutaten wie Flüssigkeiten, Pulvern oder wasserlöslichen Dingen. Bewährte Filmsuppenrezepte entwickle ich mit zusätzlichen Flüssigkeiten oder Pulvern weiter, sodass neue Effekte entstehen.
Während eines Spaziergangs im Wald hatte ich die Idee, mit Zutaten aus der Natur eine natürliche Filmsuppe herzustellen. Ich sammelte Blätter, Moose, Tannenzapfen und Pilze. Die Ingredienzen habe ich in ein Schraubglas gefüllt, einen Film hineingelegt und mit heißem Wasser übergossen. Nach 24 Stunden habe ich den Film aus der Filmsuppe herausgeholt, etwa zwei Wochen trocknen lassen und danach belichtet. Die Effekte waren viel intensiver, als ich es erwartet hatte. Aus diesem ersten Experiment ist ein saisonales Projekt entstanden: Seit dem Herbst 2020 erstelle ich zu jeder Jahreszeit eine Filmsuppe aus natürlichen Fundsachen, die ich in meiner Umgebung finde.
Verrätst du unseren Leser:innen ein einfaches Filmsuppen-Rezept?
Ich empfehle eine Filmsuppe aus etwas Natron und heißem Wasser. Zur Herstellung eignet sich ein altes Glas mit Deckel, sodass der Film in der Filmsuppe geschüttelt werden und sich die Flüssigkeit dadurch in der ganzen Filmpatrone verteilen kann. Natron kann einen intensiven Effekt haben, daher sollte der Film eine Stunde eingelegt werden. Danach wird der Film mit kaltem Wasser durchgespült und geschüttelt. Es ist wichtig, so viele Rückstände der Filmsuppe wie möglich aus der Filmpatrone zu lösen.
Ich lasse die Filme an einem warmen Ort trocknen – auf der Heizung oder auf dem Fensterbrett, auf das die Sonne scheint. Ein Gefäß mit ungekochtem Reis eignet sich auch, um die Feuchtigkeit aus der Filmpatrone zu ziehen. Um zu überprüfen, ob der Film vollständig getrocknet ist, kann man in einem abgedunklten Raum oder in einem Wechselsack vorsichtig am Filmanfang ziehen. Lässt sich der Film leicht ein Stück herausziehen, stehen die Chancen gut, dass der Film auch innerhalb der Filmpatrone trocken ist.
Welche Zutaten eignen sich für eine Filmsuppe?
Prinzipiell eignen sich heißes Wasser, Zitronensaft, Natron, Salz, Kaffee, Spirituosen, Tee oder Putz- und Spülmittel hervorragend für eine einfache Filmsuppe. Die Flüssigkeiten und Pulver lassen sich entweder separat verwenden oder man mischt einige davon. Allerdings sollte man dann darauf achten, nicht einfach alles wahllos miteinander zu vermischen, sonst könnte es zu chemischen Reaktionen kommen, die im ungünstigsten Fall gesundheitsschädlich sind.
Ich empfehle deshalb immer, zur Herstellung Handschuhe zu tragen und nur bei geöffnetem Fenster oder idealerweise im Freien zu experimentieren. Wichtig ist auch, vorab zu klären, ob sich die Filmsuppe später problemlos entsorgen lässt. Weniger empfehlenswert sind Substanzen, die klebrige Rückstände hinterlassen oder zu aggressiv sind. Denn bei Softdrinks, Energydrinks, Zucker etc. kann der Film während dem Trocknen hartnäckig in der Filmpatrone aneinanderkleben und letztlich nicht verwendet werden.
Wählt man Substanzen wie zum Beispiel Fleckenentferner, Putzmittel oder Essig, ist es ratsam diese mit etwas Wasser zu verdünnen oder den Film kürzer darin einzulegen. Meiner Erfahrung nach können solche Substanzen den Film stark zusetzen, sodass am Ende nicht mehr viel von den Fotografien auf dem Filmstreifen erkennbar ist.
Wie ist das mit der Entwicklung solcher Filme?
Ich empfehle, zuvor bei den Fotolaboren anzufragen, ob sie Filmsuppenfilme entwickeln. Bei der Entwicklung zu Hause sollte man im Hinterkopf behalten, dass die Substanzen der Filmsuppe die Fotochemie beeinträchtigen können. Die Filme werden am besten separat und entweder in älteren Chemikalien entwickelt oder in Fotochemie, die man ausschließlich für solche Filmexperimente verwendet.
Über deinen Shop bei Etsy verkaufst du deine Filme. Welche Manipulationen sind am beliebtesten?
Einer meiner ersten Filmsuppenfilme „AGATE“ – verleiht den Fotografien rötliche und lilafarbige Effekte und lässt die Fotos wie durch einen Schleier erscheinen – war sofort ein Bestseller. Inzwischen befinden sind nicht nur Filmsuppenfilme im Sortiment, sondern auch experimentelle Filme mit verschiedenen Vorbelichtungen und ein Redscale-Film.
AGATE ist weiterhin ein sehr beliebter Film, aber auch die vorbelichteten Filme BOKEH und PRISM sowie der neueste Filmsuppenfilm OPAL werden oft bestellt. Für diejenigen, die sich gerne selbst an den Herstellungsprozess eigener Filmsuppenfilme wagen möchten, habe ich ein Buch über Filmsuppen geschrieben. Das Buch ist im HANALOGITAL Onlineshop in englischer Sprache erhältlich.
DIE FOTOGRAFIN
Die Gründerin Hanna Beltran ist Ende der 1980er in Kaiserslautern aufgewachsen und lebt im südlichen Rheinland- Pfalz. 2019 entstand ihr Instagram-Profil HANALOGITAL, auf dem sie regelmäßig ihre Fotografien sowie Einblicke hinter die Kulissen der Filmherstellung zeigt. Seit Februar 2020 gibt es den Onlineshop HANALOGITAL.
Du hast noch nicht genug von analoger Fotografie?
Dann haben wir da was für dich: Photo Klassik – Ausgabe II.2022, randvoll mit dem Besten aus der Welt der Analogfotografie.