Weg vom Knipsen und hin zum Fotografieren: Das ist eine bewusste Entscheidung! Anregungen von Micha Pawlitzki, warum das Motto „Qualität vor Quantität“ deine Fotografie sichtbar verbessern wird. Die neue fotoPRO.world-Kolumne.
Gleich zu Beginn meiner Karriere hatte ich das Glück, mich während meiner Fototouren in den USA mit einigen der bekanntesten Landschaftsfotograf:innen Nordamerikas anzufreunden und mit ihnen unterwegs zu sein. 2004 traf ich den Pulitzer-Preisträger Jack Dykinga, zusammen mit einem kanadischen Freund haben wir neue Locations in den entlegensten Wüsten Arizonas erkundet und zusammen fotografiert. An einem Abend war ich mit Jack alleine unterwegs; die uns umgebende Landschaft war zu diesem Zeitpunkt noch von fast niemanden fotografiert, völlig bizarr und abenteuerlich schön. Doch obwohl Szenerie als auch Licht perfekt waren, hat Jack dort nur ein einziges Bild fotografiert. Den exakten Standpunkt seines Stativs hatte er vorab eine Stunde lang gesucht, das optimale Licht abgewartet, genau ein Mal den Auslöser seiner Großformatkamera gedrückt – dann packte er zusammen.
Das Bild hat er später für einen fünfstelligen Betrag verkauft. Wenige Monate später erlebte ich genau das Gegenteil an einem einsamen Strand in Tasmanien. Ein Tourist rannte in dieser perfekten Location bei bestem Licht mit seiner Digitalkamera wie von Sinnen über den Sand, war überall und nirgends, knipste über 300 Bilder – aber nicht eines davon erwies sich bei einer gemeinsamen Sichtung danach als brauchbar.
Auf Format und Originalität setzen
Ich war noch nie ein Viel-Fotografierer, aber ich weiß noch wie heute, dass ich direkt nach diesen beiden Erlebnissen die Entscheidung getroffen habe, ab sofort nur noch die wirklich guten Motive nur noch bei idealem Licht und nur noch mit gelungener Gestaltung zu fotografieren. Diese Entscheidung hält bis heute an, ich überlege oft kurz vor dem Auslösen, ob das Bild im Sucher wirklich Format und Originalität hat – oder ob ich aus lauter Verzweiflung fotografiere, weil es nichts Besseres vor Ort gibt. Das kann dann durchaus bedeuten, dass ich abends mit nur einer Handvoll Bilder auf der Speicherkarte zurückkomme. Aber mit diesen Bildern bin ich dann komplett zufrieden, und sie sind auch kommerziell verwertbar.
Lieber wenige sehr gute als viele nur mittelmäßige Bilder.
Micha Pawlitzki
Natürlich gibt es bei mir auch Situationen, in denen ich viel Ausschuss produziere, zum Beispiel wenn ich neue Aufnahmetechniken einüben möchte oder wenn ich mich in eine schwierige Location einarbeiten muss. Aber meine Grundentscheidung ist klar: lieber wenige sehr gute als viele nur mittelmäßige Bilder. Überlege einmal für dich, wie und wie viel du fotografierst: Geht bei dir Quantität vor Qualität? Kommst du nach einer einwöchigen Fotoreise mit 500 oder 5.000 Bildern nach Hause? Und wie viele Fotos davon findest du nachträglich wirklich sehr gut? Wie viele setzt du in Fotobüchern oder bei Wettbewerben ein? Und wie lange hast du nach deiner letzten Fotoreise gebraucht, bis du diese Unmengen an Bildern am Rechner durchgeschaut, bewertet, aussortiert hast? Oder liegen deine letzten fünf Fotoreisen ohnehin noch unbetrachtet auf der Festplatte, weil du zunehmend den Spaß daran verlierst oder einfach keine Zeit hast, deine immer größer werdenden Bilderberge durchzuarbeiten?
Vielleicht überlegst du dir beim nächsten Fotografieren vor jeder Aufnahme ganz bewusst, ob es das Motiv im Sucher zu einem großformatigen Bild an deiner Wohnzimmerwand schafft. Wenn nicht, dann verwende lieber mehr Zeit auf die Suche nach einem besseren Ausschnitt, einer anderen Perspektive, vielleicht wartest du auf günstigeres Licht – und vielleicht entscheidest du dich auch einfach gegen das eventuell nur mittelprächtige Motiv. Wenn du drei bis fünf Top-Bilder nach deinem Shooting mit nach Hause bringst, ist das eine exzellente Quote. Und dein WENIGER an Fotografien wird ein VIEL MEHR an Bildqualität mit sich bringen.
Mehr über den Fotografen: www.micha-pawlitzki-stock.com
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