Der Münchner Fotograf Simon Koy hat familiäre Kontakte in die Ukraine. Als seine Schwägerin mit ihrem Sohn nach Kriegsbeginn fliehen musste, fuhr Koy an die polnisch-ukrainische Grenze, um sie abzuholen. Im Interview sprechen wir mit ihm darüber, wie er die vergangenen Wochen erlebt hat, welche Szenen sich an der Grenze abspielten und warum es wichtig ist, gerade solche Situationen zu fotografieren.
Simon Koy im Interview
Simon, welche Verbindung hast du zur Ukraine?
Meine Frau ist Ukrainerin und ich reise im Durchschnitt einmal pro Jahr in die Ukraine. Rund zehn Mal war ich mittlerweile dort. Dadurch habe ich das Land und die Leute gut kennengelernt.
Wie hast du den 24. Februar, den Tag des Kriegsbeginns, erlebt?
Es war schrecklich, um sieben Uhr morgens habe ich die Push-Nachricht von „Der Spiegel“ gelesen, dass Kiew bombardiert wird. Meine Frau und meine Schwiegermutter haben sofort angefangen zu weinen. Ich musste zunächst unsere Kinder beruhigen, dann haben wir sofort begonnen, die Flucht der ukrainischen Familie meiner Frau zu planen.
Wie haben sich die vergangenen Wochen für dich angefühlt?
Nicht sehr gut, man weiß nie, was der nächste Tag bringt. Es gibt zwar auch den Alltag, aber irgendwie fühlt sich alles anders an, seit Krieg herrscht. Die Leichtigkeit fehlt.
Du bist an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um dort deine Schwägerin und deinen Neffen abzuholen. Beim Warten auf die beiden hast du fotografiert. Welche Szenen hast du dort festgehalten?
Es gab wirklich schlimme Szenen, auf der einen Seite sind die total übermüdeten Mütter und Kinder aus der Ukraine gekommen und auf der anderen Seite sind die Ukrainer, die im Ausland leben, in den Krieg gezogen. Man hat plötzlich gemerkt, dass wirklich Krieg mitten in Europa stattfindet.
Hat dir das Fotografieren geholfen, mit der Situation umzugehen?
Schwer zu sagen – ich wusste, dass ich in diesem Moment fotografieren muss, um der Welt diese Augenblicke zu zeigen, um ihre Aufmerksamkeit darauf zu lenken. Zumindest wusste ich, dass es das Richtige ist, zu fotografieren.
Warum war es wichtig, diese Momente zu fotografieren?
Um darauf aufmerksam zu machen, wie dieser Krieg unschuldige Familien zerreißt. Sinnloser können menschen nicht sterben, sich verletzen etc.
Wie stehst du zu den Aufnahmen der Fotografin Lynsey Addario, die den gewaltsamen Tod von Zivilisten im Ukraine-Krieg zeigen?
Es ist hart, solche Aufnahmen zu sehen, aber meiner Meinung nach wichtig. in der Hoffnung, dass solche Bilder auch nach Russland durchdringen und dort gegebenenfalls Veränderung stattfindet. Vor allen Dingen, wenn hoffentlich wie nach der NS-Diktatur in Deutschland eine Geschichtsaufarbeitung in Russland starten sollte. Aber das ist wahrscheinlich nicht realistisch.
Kennst du ukrainische Fotograf:innen und kannst etwas zu deren Situation sagen?
Ich kenne eine Fotografin, die für das ukrainische Militär fotografiert, aber ich habe momentan keinen Kontakt zu ihr.
Lass uns über die Ukraine jenseits des Krieges sprechen: Kannst du kurz beschreiben, was das Land so faszinierend für dich macht?
Das Land ist sehr vielfältig, es hat viel Kultur und Brauchtum, schöne Städte, Landschaften und Strände. Die Leute sind sehr freundlich und zuvorkommend.
Wann, in welchen Situationen hast du dort fotografiert?
In allen Alltagssituationen, besonders in den Vorstädten von Kiew. Der Ostblock-Charme sagt mir persönlich zu.
Vielen Dank für das Gespräch, Simon!
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