Der PIV Branchentalk am 18. April wollte einiges in Sachen Imaging-Zukunft abarbeiten: Mit welchen gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen muss die Foto- und Imaging-Branche 2023 rechnen und wie können Unternehmen zukunftsorientiert hierauf reagieren? Wir waren vor Ort dabei.
Wie ticken Verbraucher, Handel und Industrie in einem anhaltend schwierigen Marktumfeld? Und welche Herausforderungen und Trends erwartet die Branche in naher Zukunft? Die Teilnehmer des PIV Branchentalks haben viel Interessantes mitgenommen, auch wenn viele Fragen weiterhin offen bleiben.
Schwierige Bedingungen für Konjunktur und Wirtschaft
Nach den Begrüßungsworten von Christian Müller-Rieker, Geschäftsführender Vorstand PIV, startete Eric Heymann, Deutsche Bank, den Reigen der Redner mit einem Überblick über die derzeitigen schwierigen Bedingungen für Konjunktur und Wirtschaft. Das tat er zunächst etwas mühsam, seine Aussagen können wir jeden Tag in den tagesaktuellen Medien lesen. Auch sein Konjunkturausblick blieb eher unscharf: “Wir erwarten für 2023 nur geringes Aufholpotential”.
Für den Industriestandort Deutschland sehe ich enorme strukturelle Herausforderungen
Eric Heymann, Deutsche Bank
Heymann konstatierte für die ersten Monate des aktuellen Jahres für die Industrie “einen positiven Auftakt bei Produktion und Aufträgen”, sieht aber “enorme strukturelle Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland.” Das klingt doch alles eher wie von der offiziellen Website des Bundeswirtschaftsministeriums – wir klatschen nur verhalten.
Neue Geschäftsfelder für die Zukunft
Da hatte Alexander Schönmann von der Technischen Hochschule Ingolstadt schon deutlich konkretere Dinge im Gepäck. Sein Einstiegsbild machte deutlich: “Wir müssen runter von unserer Eisscholle”. Will sagen: Erst der Blick aus anderer Perspektive eröffnet neue Geschäftsfelder und macht die Zukunft strategisch planbar.
Unternehmens-Champions, so Schönmann, kennzeichnet Folgendes: 70% der Gewinne und Wertschöpfungen kommen aus dem bestehenden Marktumfeld, 20% aus Projekten, die neu für das Unternehmen sind 10% aus Dingen, die “neu für die Welt” sind – also echten Innovationen. Die wichtigste Botschaft an die Teilnehmenden: “In vielen Seminaren gehen die Mitarbeitenden der Unternehmen euphorisch auseinander, aber die Umsetzung in die Praxis wird nicht konsequent weiter verfolgt. Damit verpufft das eigentlich große Potential, das in den Unternehmen und ihren Menschen steckt.”
In vielen Seminaren gehen die Mitarbeitenden der Unternehmen euphorisch auseinander, aber die Umsetzung in die Praxis wird nicht konsequent weiter verfolgt.
Alexander Schönmann, Technische Hochschule Ingolstadt
Und natürlich gibt es auch für dieses Prozedere eine griffige Formel: ACT. Das steht für “anticipate, create, transform”. Und weil Alexander Schönmann es anschließend auch schaffte, komplexe Foresight Methoden (Trends scannen, Szenarien entwickeln, Roadmaps aufsetzen, SciFi-Literatur nutzen) kurz und verständlich zu erklären, bekam er nicht nur von uns großen Applaus.
Krisengeschütteltes Deutschland: Wie ticken Verbraucher, Handel und Industrie?
Eine Marktanalyse und Konsumententrends für technische Gebrauchsgüter präsentierte Haluk Özdemir, GfK Consumer Electronics & Photo Deutschland. Unter der ein oder anderen bekannten Marktzahlen und nicht immer nachvollziehbaren euphemistischen Aussagen fanden wir die ein oder andere Erkenntnis-Perle. Beispielsweise die Entwicklung der durchschnittlichen Preise für Kameras: im Jahr 1991 lag dieser bei (umgerechnet) 151 Euro, 2007 bei 231 Euro und im vergangenen Jahr bei stolzen 754 Euro. In dieses Schema passt auch die aktuelle Entwicklung, nach der Kameras unter 1.000 Euro um -10% gesunken sind (Februar 2022-März 2023) während die teureren Modelle über 1.000 Euro Verkaufspreis um 9% zulegen konnten (jeweils Stückzahlen). Özdemir zeigte weiterhin generelle Verbrauchertrends wie Nachhaltigkeit, bewusster Konsum oder Selbstbezogenheit (“All about me”). Was einigen Teilnehmenden fehlte waren Aussagen über den immer relevanter werdenden Videomarkt oder die etwas seltsame Tatsache, dass der Smartphonemarkt kategorisch bei der Analyse des Marktes ausgeklammert wird. Das kostet am Ende ein paar Applaus-Punkte.
30 Talk-Teilnehmer, 3 Händler
Unter den über 30 Talk-Teilnehmer waren (nur) drei Händler (Calumet, Fotoprofi, Ringfoto), die sich aber um so mehr über den Vortrag von Linda Kuhr (OC fulfillment, eine REWE Tochter) über “Umdenken im Handel – Effizienzsteigerung durch Omnichannel-Fulfillment” freuten.
Kuhr gelang es, konkrete Aussagen zum Fotofachhandel und zu den enormen Potenziale zu machen, die in Omnichannel-Strukturen liegen. Aus ihrer Sicht die Besonderheiten der Imagingbranche: Schnelle Produktzyklen, hohe Wettbewerbsintensität, starke Bedeutung von Service und Beratung sowie der hohe Stellenwert von Qualität und Innovation. Die gilt es in Einklang zu bringen mit den Erwartungen der Kunden wie Flexibilität der Kauf-Kanäle, hohes Maß an Transparenz des Warenwegs zum Kunden, der individuellen Personalisierung der Kaufprozesse sowie – klar – der besonderen Bedeutung der Liefergeschwindigkeit. Das alles und noch viele weitere Details waren speziell (aber nicht nur) für die Händler ein echtes Highlight. Also: Starker Applaus.
Zukunft gestalten: Chancen und Risiken von Generativer künstlicher Intelligenz
Den Reigen der Vortragenden beschloss Sven Doelle (Adobe) mit seiner Präsentation “Zukunft gestalten: Chancen und Risiken von Generativer künstlicher Intelligenz“. Doelle schaffte es wirklich gut, das komplexe, hoch aktuelle Mega-Thema verständlich zu erklären und weitestgehend Produkte seines Arbeitgebers aus dem Spiel zu lassen. Keine Frage, Generative AI hätte eine eigene Veranstaltung verdient, so viel gibt es dazu zu sagen, so schnell ist die Entwicklung und so fundamental werden die Auswirkungen auf die gesamte Branche. Als ersten Überblick lohnte der Vortrag von Sven Doelle allemal. Auch hier applaudieren wir recht kräftig.
Unser Fazit
Der PIV Branchentalk war ein erster, durchaus gelungener Schritt, den Austausch von Trends, Ideen, und Szenarien über Vorträge zu fördern. Was zeitlich leider zu kurz kam, waren Diskussionen unter den Teilnehmenden mit den Referenten und dadurch die Fokussierung auf branchenspezifische Inhalte, die die aktuellen Referent:innen auf Grund ihrer eher globalen Sichtweise nicht haben können. Das Rezept “Vortragende setzen Trends, Teilnehmende sorgen für imagingmäßigen Praxisbezug” könnte für die Zukunft das richtige sein.
Weitere Lesetipps zum Thema
PICTAday überzeugt mit neuem Format PICTAtalks
Ringfoto mit neuem Bereichsleiter Vertrieb und Marketing
Photoindustrie Verband (PIV) präsentiert Marktzahlen für 2022 – Hybridkameras im Trend