Leica versteht sich als Edelschmiede für Digitalkameras. Mit der Leica SL2-2 bekommen Interessierte ein leicht abgespecktes Topmodell zum deutlich reduzierten Preis, welches wir uns hier im Test einmal genauer ansehen. Ist nach den Einsparungen mehr als nur eine schicke Hülle geblieben?
Bisweilen erinnert uns die L-Mount-Allianz, bestehend aus Panasonic, Sigma und Leica, an einen bekannten Automobil- Konzern: Während die Marken VW und Audi selbst den Kern bilden, finden kostenbewusste Käufer günstigere Alternativen bei Skoda oder Seat. Am anderen Ende des Kostenspektrums stehen schließlich prestigeträchtige Vertreter wie Lamborghini oder Bugatti.
So ähnlich auch bei den genannten Kameraherstellern: Wenn es etwas günstiger sein soll, werden Käufer meist bei Sigma fündig. Neben den eigenen eher videoorientierten Kameras finden wir hier jede Menge erschwingliche und trotzdem starke Objektive für das allen Herstellern gemeinsame L-Bajonett. Die Vollformatkameras und Optiken von Panasonic sprechen dagegen eher die breite Masse an Fotografen an. Die Modelle aus der S-Linie zeichnen sich durch ihre Vielseitigkeit aus: Egal, ob hochauflösende Videos oder Fotos – Panasonic hat für jede Aufnahmesituation und jeden Anwendungsbereich die passende Lösung parat. Und dann gibt es da noch die Luxusmodelle: Wer bereit ist, tiefer in die Tasche zu greifen, wird mit einem extravaganten Erscheinungsbild und dem einen oder anderen Extra entlohnt. Doch auch wie bei den Fahrzeugen aus dem VW-Konzern gilt: Die technische Basis ist weitestgehend identisch; auch wenn jede einzelne Marke ganz eigene Wege bei der Umsetzung geht.
So wurde die Leica SL2-S als Schwestermodell zur bereits bekannten SL2 Ende 2020 vorgestellt. Jetzt, rund ein halbes Jahr später, spendiert der Hersteller seiner aktuellen Kamera ein umfangreiches Firmware-Update. Grund genug für uns, die schicke Kleinbild-DSLM ganz genau unter die Lupe zu nehmen und das Edelmodell aus Wetzlar aus Profisicht zu beleuchten.
Mittelklasse mit edler Optik
So wird bereits beim Blick auf die technischen Daten die Verwandtschaft zu Panasonic Lumix S1 und S5 offenkundig. Auch bei der Leica SL2-S kommt ein rückwärtig belichtender Kleinbildsensor mit 24 Megapixeln zum Einsatz. Eine Auflösungsleistung, die sich über alle Herstellergrenzen hinweg für die meisten Situationen als absolut ausreichend erwiesen hat, im Vergleich zur großen Schwester aber rund um die Hälfte reduziert ist. Doch dazu etwas später mehr. Von außen betrachtet sehen sich beide Kameras zum Verwechseln ähnlich. Lediglich die Farbe des Namensschriftzugs auf dem Sucher-Gehäuse offenbart den Unterschied. Dieser ist bei der SL2 in Weiß und bei der SL2-S in Schwarz gehalten. Alle anderen Gehäusemerkmale – darunter auch die IP54-Zertifizierung zur Dichtigkeit gegen Staub und Spritzwasser – teilen sich die Schwestern. Kostenbewusste Fotografen müssen also hier keinerlei Kompromisse befürchten – gut so!
An der schnörkellosen Formensprache hält Leica also auch weiterhin fest: Klare Linien in Kombination mit wertigen Oberflächen vermitteln beim ersten Anfassen umgehend den erwarteten Luxus-Charakter, ohne die Ergonomie und die Benutzerfreundlichkeit zu beeinträchtigen. Rein pragmatisch betrachtet fehlt uns nach wie vor die Möglichkeit, den großen 3,2-Zoll-Touchscreen auf der Rückseite den jeweiligen Aufnahmesituationen anzupassen. Um die Dichtigkeit nicht zu kompromittieren, hat sich Leica aber auch bei der SL2-S für eine im Gehäuse integrierte Bauweise entschieden.
Der elektronische Sucher ist dafür wieder über jeden Zweifel erhaben und stellt Motive verzögerungsfrei, scharf und dank Vergrößerungsfaktor 0,78 angenehm groß dar. Die Anordnung der Bedienelemente auf der Ober- und der Rückseite kann dagegen als „vornehm reduziert“ bezeichnet werden. Und dennoch: Jeder Knopf und jedes Rädchen sitzen genau da, wo wir es intuitiv auch vermuten. Gleiches gilt übrigens auch für die sehr übersichtlich gestalteten und aufgeräumten Menüs samt Touch-Funktionalität. Hier beweist der Hersteller viel Liebe zum ergonomischen Detail. Einfach praktisch dagegen ist das große Schulterdisplay, das Aufnahmeinformationen stets sicher im Blick behalten lässt.
In puncto Gehäuse und Bedienung wird die Leica Sl2-S ihrem Anspruch als Luxus-Objekt also jederzeit voll gerecht, auch wenn der Body im Vergleich zu manch anderem Konkurrenten deutlich wuchtiger und schwerer daherkommt. Die wichtigsten Anschlüsse – darunter ein USB-Typ-C-Port zum Laden und Betreiben der Kamera, zwei 3,5-mm-Klinkenbuchsen für je ein externes Mikro und Kopfhörer sowie ein vollwertiger HDMI-Anschluss – sind vorhanden. Zum Abspeichern der Bilder verfügt die Leica SL2-S über einen doppelten SD-Schacht mit schnellem UHS-II-Standard – ganz wie die große Schwester; sehr gut.
Bewährtes für den Foto-Alltag
Wie bereits erwähnt, setzt Leica beim Sensor auf BSI-Technik mit 24 Megapixeln, so wie auch die beiden Mittelklasse-Geschwister von Panasonic. Ein Tiefpassfilter fällt allerdings weg; die Bildschärfe steht bei der SL2-S also im Vordergrund. Dennoch kommt auch eine bewegliche Lagerung des Sensors zum Einsatz, die leichte Wackler im Test zuverlässig ausgleicht. Drei bis vier Blendenstufen Toleranz sind in der Praxis jederzeit zu erzielen; geübte Hände kitzeln sogar noch etwas mehr aus dem hervorragenden Bildstabilisator heraus.
Aufgeholt hat der Hersteller auch beim Autofokus: Während die große Schwester gelegentlich noch zu Pump-Bewegungen und leichtem Zittern beim Fokussieren neigte, stellt die SL2-S durch die Bank flott und präzise scharf. Die insgesamt 225 AF-Felder mit Kontrastmessung und Tiefen-Mapping könnten für unseren Geschmack dennoch etwas zügiger arbeiten. Mit einer durchschnittlichen Reaktionszeit von 0,4 Sekunden und einer Auslöseverzögerung von 0,3 Sekunden rangiert die DSLM nur im Mittelfeld; die technisch ähnlichen Kameras von Panasonic haben hier teils deutlich die Nase vorne. Dafür ist es den Ingenieuren in Wetzlar gelungen, die Einschaltzeit deutlich auf jetzt knapp unter eine Sekunde zu reduzieren.
In puncto Ausstattung gibt sich die SL2-S dann allerdings keine Blöße, im Gegenteil: Schnelle Serienbilder mit bis zu neun Bildern pro Sekunde und mechanischem Verschluss können sich sehen lassen. Wird in JPEG fotografiert, sorgt der 4 Gigabyte große Pufferspeicher dafür, dass der SL2-S in keiner Situation die Luft ausgeht. Bei RAW-Fotos im quelloffenen DNG-Format mit 14 Bit Farbtiefe ist erst nach 50 Bildern eine Zwangspause angesagt. Mit elektronischem und damit lautlosem Verschluss ist sogar noch mehr Tempo drin: Satte 26 Fotos pro Sekunde in voller Auflösung wandern so auf die eingesetzten Speicherkarten. Nach zwei Sekunden oder umgerechnet rund 50 Bildern muss die digitale Systemkamera verschnaufen; egal, ob die schnellen Serien in JPEG oder RAW fotografiert werden.
Einzig der etwas schwache Akku mit einer Kapazität von 1.860 mAh und Strom für rund 500 Bilder trübt das sehr gute Ausstattungspaket ein wenig. An der Leistungsaufnahme sowohl im Video- als auch im Foto-Modus hat Leica glücklicherweise gearbeitet; im Vergleich zur Schwester liegt die Ausdauer der SL2-S so rund zehn Prozent höher. Ein leichtes, wenn auch in den meisten Aufnahmesituationen zu verschmerzendes Downgrade hat die SL2-S zudem gegenüber ihrer großen Schwester erhalten: Die kürzeste Verschlusszeit liegt jetzt bei 1/16.000 Sekunde und nicht wie bei der SL2 bei 1/40.000 Sekunde. Wer also bei strahlendem Sonnenschein auf das Fotografieren mit Offenblenden im Bereich f/1,8 und größer verzichten kann, bemerkt den Unterschied in der Regel gar nicht erst.
Film ab für einen echten Hybriden
Mit dem Update auf Firmware-Version 2.0 fanden schließlich jede Menge Funktionen Einzug in die Kamera, die die ohnehin schon starke Leistung im Bereich Bewegtbild nochmals verbessern. Neu mit an Bord sind hier unter anderem der platzsparende Komprimierungsalgorithmus h.265 oder auch die Möglichkeit, Videos in C4K-Auflösung mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde und 10 Bit Farbtiefe intern aufzuzeichnen. Zusätzlich können individuelle LUTs direkt in die Kamera geladen werden; Videografen sehen also bereits bei der Aufnahme den fertigen Look. Besonders praktisch: Bereits vor der Aufnahme können bis zu drei Fokuspunkte ausgewählt werden, zwischen denen die Kamera dann eine sanfte Schärfeverlagerung vornimmt. Color Bar, Tally Mode und jede Menge weiterer Helferlein runden das professionelle Video-Upgrade schließlich ab.
Die Wahl einer Kamera ist neben rein objektiven Gesichtspunkten wie etwa in puncto der verbauten Technik und der Leistung im Testlabor am Ende auch immer eine Sache des Gefühls, genauso wie beim Autokauf. So haben neben der Vernunft auch das Image und der Look einer Marke ein gehöriges Wörtchen mitzureden. Auch wenn der Geldbeutel am Ende zu VW, Audi oder in unserem Fall zu Panasonic tendieren mag, wandert der Blick doch beim ein oder anderen weiter zu Bugatti, Lamborghini oder bei den Kameras eben auch Leica. Mit Rationalität ist diese Entscheidung schlicht nicht zu erklären, hier spricht reine Emotion.
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