Sie hat die Hells Angels Luxembourg mit ihrer Kamera bis nach Albanien begleitet und in den Straßen von San Francisco ihre Liebe zur Street-Fotografie entdeckt. Subkulturen faszinieren die Mannheimer Fotografin Petra Arnold. So hat sie für ihr aktuelles Projekt das Leben einer Zirkusfamilie zehn Jahre lang dokumentiert. Entstanden ist dabei der Bildband „Beyond Starlight“, der in prägnanten Schwarz-Weiß-Aufnahmen einen Blick hinter die Zirkuskulissen wirft. Im Interview erzählt die Fotografin, wie das Projekt entstanden ist, warum sie am liebsten analog fotografiert und weshalb sie jetzt bedrohte Pflanzen in den Fokus nimmt.
Frau Arnold, welcher Moment Ihrer fotografischen Karriere ist Ihnen nachhaltig in Erinnerung geblieben? Und warum?
Meine Zeit in San Francisco hat mich sehr geprägt. Dort habe ich mich der Straßenfotografie angenähert – weit entfernt von der doch einengenden Fotografie im Studio. Bei meinen Streifzügen durch die Stadt und durch verschiedene Szenen, als ich verschiedene Charaktere entdeckte und in einige Subkulturen eingetaucht bin, gab es viele unvergessliche Momente. In den Straßen von San Francisco habe ich in verschiedenster Hinsicht am meisten gelernt und meine eigene fotografische Handschrift gefunden.
Wie kommen Sie zu Ihren Projekten?
Meine Projekte und Themen entstehen oft aus dem Bauch heraus. Sie laufen mir zu oder ich fühle mich zu ihnen hingezogen. Manchmal habe ich auch das Gefühl, die Projekte sind ein Seelenspiegel oder ein Gegenpol, der mich fasziniert.
Lassen Sie uns über Ihr jüngstes Projekt „Beyond Starlight“ sprechen. Dafür haben Sie die Zirkusfamilie Fischer etwa zehn Jahre lang begleitet. Wie kam es dazu?
Bild: PEtra Arnold
Individuelle und alternative Lebensweisen ziehen mich an. Den Zirkus habe ich in meiner Nähe entdeckt und war sofort neugierig, was hinter dem bunten Zirkuszelt passiert. Ich bin immer interessiert was Menschen antreibt, was sie bewegt und wie sie leben. Nachdem ich die Familie kennengelernt hatte, folgte eine intensive Zeit der Dokumentation.
Ursprünglich wollte ich nach zwei bis drei Jahren ein Buch über das Projekt machen, doch zu dem Zeitpunkt klappte die Finanzierung nicht. Mittlerweile halte ich das für eine glückliche Fügung, ansonsten hätte ich wohl nicht so lang daran gearbeitet. So aber ist das Projekt neben der Langzeit-Dokumentation einer Familiengeschichte auch ein Zeugnis eines langsam verschwindenden Kulturguts.
Haben Sie ein Lieblingsmotiv im Bildband? Wenn ja, welches?
Es gibt viele Motive, die mir am Herzen liegen. Alle Motive fügen sich zu einer Geschichte. Besonders spannend finde ich den Teil „Changes/Wandel“. Da habe ich einige Fotografien von denselben Familienmitgliedern im Abstand von circa zehn Jahren wiederholt. Die Aufnahmen setzen sich nicht nur mit persönlichen Veränderungen auseinander, die mit dem Älterwerden einhergehen. Sondern sie dokumentieren vielmehr den Wandel einer Familie und die Auflösung eines Milieus.
Mit welchem Equipment haben Sie das Zirkusprojekt fotografiert?
Das Projekt habe ich mit meiner Nikon F 90 X und Nikon F5 und verschiedene Nikon-Objektiven fotografiert.
Warum haben Sie sich für eine analoge Kamera entschieden?
Meine Wurzeln liegen in der Analogfotografie und ich liebe dieses Medium. Das Fotografieren mit einer analogen Kamera ist bewusster, man ist fokussierter auf sein Gegenüber. Darüber hinaus empfinde ich das analoge Filmkorn als authentisch, besonders weil es sich beim Thema „Zirkus“ um ein traditionelles Kulturgut handelt. Aus meiner Sicht sind die Bildergebnisse nicht so überzeichnet und entsprechen eher der menschlichen Wahrnehmung.
Bild: PEtra Arnold
Mit welchem Equipment fotografieren Sie generell am liebsten?
Je nach Projekt und Aufgabe fotografiere ich gerne mit verschiedenen Kameras. Ich habe schon schöne Projekte mit mehreren Polaroid- bzw. Sofortbildkameras fotografiert oder mit meinen analogen Nikon-Kameras. Für einige neuere Projekte oder Auftragsarbeiten fotografiere ich auch gern mit meinem älteren Arbeitstier, der Nikon D700, und in jüngerer Zeit oft mit der Nikon D780.
Sie haben eine eigene Dunkelkammer und entwickeln Ihre Aufnahmen selbst. Welche Vorteile bringt das?
Von Vorteil ist, dass ich meine Bilder individuell nach meinem Gefühl bearbeiten kann. Außerdem bereitet es mir einfach große Freude, Motive in der Dunkelkammer auszuarbeiten. Das Händische und den gesamten Prozess empfinde ich sehr meditativ. Gibt man Negative zum Vergrößern in ein Labor, sollten die Fachleute dort schon den „Taste“ – also den Geschmack oder die Vorlieben – des Fotografen kennen. Denn von ein und demselben Negativ können je nach Belichtung, Papierart, Gradation, Nachbelichtung und Abwedeln sehr unterschiedliche Abzüge entstehen.
Welche Tipps haben Sie für Fotograf:innen, die sich intensiver mit Dokumentationsfotografie auseinandersetzen möchten?
Folge deinem Herzen, es kennt den Weg! Ich kann nur ermutigen, vieles einfach intuitiv aus dem Bauch heraus zu tun. Sich Themen zu nähern, die dem Gefühl und Herzen entsprechen. In der Dokumentarfotografie ist wenig arrangierbar. Das macht auch die Magie der Bilder aus. Manchmal bewegen und berühren sie, so wie das Leben eben ist. Kein Tag ist wie der andere und so erhält man auch mal Ergebnisse, die weniger zufriedenstellen. Aber manchmal ergibt sich dann Jahre später noch mal ein anderer Blick auf diese Motive.
Ich kann nur ermutigen, vieles einfach intuitiv aus dem Bauch heraus zu tun. In der Dokumentarfotografie ist wenig arrangierbar. Das macht auch die Magie der Bilder aus.
Fotografin Petra Arnold
Zu „Beyond Starlight“ haben Sie eben einen Bildband veröffentlicht. Wie geht es nun weiter, haben Sie bereits ein neues Projekt in Aussicht?
Aktuell interessiere ich mich sehr für die Natur und Umwelt. Die Rote Liste bedrohter Tiere und Pflanzen wächst. Deshalb möchte ich in einigen Fotoprojekten für diese Themen sensibilisieren.
Vor einigen Jahren habe ich zudem begonnen, Menschen in meiner Heimat, dem Odenwald, zu porträtieren und die Kunst und Kultur vor Ort zu dokumentieren. Daraus ist mittlerweile ein Magazin entstanden: MY ODENWALD. Ein umfangreiches Projekt, das viele weitere Folgeprojekte beinhaltet.
Sie haben eben die Rote Liste bedrohter Tiere und Pflanzen angesprochen. Wie setzen Sie dieses Thema um?
Ich widme mich der Artenvielfalt und den vom Aussterben bedrohten Pflanzen vor Ort, also im Odenwald. Dafür recherchiere ich bedrohte Pflanzen und Lebensräume, was mitunter sehr aufwendig ist. Das Projekt ist sowohl eine Dokumentation über die aktuelle Situation in der Region als auch ein Kunstprojekt. Dazu entwickle ich die Bilder in konzeptionellen Arbeiten weiter.
Meine Motivation dahinter: Die Menschen für ihre Umwelt sensibilisieren. Die Natur erfährt einen immer größeren Verlust genetischer Vielfalt – verursacht von Menschenhand: Rücksichtsloser Umgang mit der Umwelt, Abholzung von Wäldern, Ausbau der Viehzucht, Monokulturen, Überdüngung, Pestizide, Plastikmüll und Mikroplastik. Darauf möchte ich aufmerksam machen. Natur und Umwelt müssen einfach wieder einen größeren Stellenwert erhalten.
Analoge Fotografie lässt sich allerdings nur schwer mit Nachhaltigkeit vereinbaren. Wie gehen Sie damit um?
Durch Nutzung der Chemikalien in verschiedenen Entwicklungsprozessen ist die analoge Fotografie leider weniger nachhaltig. Wichtig ist daher unbedingt, die Chemikalien richtig zu entsorgen, also bei einem Recyclinghof oder einem größeren Fotolabor abzugeben. Altchemie muss für eine ordnungsgemäße Neutralisierung bzw. Wiederverwertung gesammelt werden. Heute gibt es zum Glück umweltfreundlichere Fotochemie.
Auf der anderen Seite haben die Analogkameras eine wesentlich längere Nutzungszeit. Digitalkameras werden öfter getauscht, weil die Technik überholt ist und sie ständig weiterentwickelt werden. Auch die Speichermedien sind nur bedingt nachhaltig. Zwischenzeitlich wurde auf tausende CDs und DVDs gespeichert und jetzt auf verschiedene Festplatten. Es wird immer mehr produziert, deshalb würde ich mir wünschen, wenn mehr nachhaltige Ideen umgesetzt oder auch gesetzlich einiges umweltfreundlicher gestaltet würde.
Letztendlich kann aber jede:r Einzelne einen Beitrag leisten: Bewusster und auch mal Gebrauchtes kaufen, Materialien vergleichen und immer auf die richtige Entsorgung bzw. auf Recyling achten. Für gute Bilder braucht es nicht immer das neueste Equipment.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Arnold!
Die Fotografin:
Petra Arnold wurde in Heidelberg geboren, lebt im Odenwald und hat ihren künstlerischen Mittelpunkt in Mannheim. Ihre Arbeiten sind international in Gruppen- und Einzelausstellungen sowie auf Fotofestivals zu sehen, ihre Werke finden sich in öffentlichen Sammlungen. Als selbstständige Fotografin arbeitet Arnold für renommierte Magazine, Medien und Agenturen. Im Fokus ihrer Projekte und künstlerischen Werke steht meist der Mensch. Arbeitsschwerpunkte liegen in der Portrait- und Reportagefotografie und dem Fotojournalismus. Die Fotografin beschäftigt sich gerne mit Subkulturen, gesellschaftlichen Minderheiten und unkonventionellen Lebensweisen. Für ihre umfangreichen Reportagen begleitet sie Menschen zum Teil über Monate oder sogar Jahre hinweg.
Du willst mehr von Petra Arnolds Arbeiten sehen? Wir haben uns „Beyond Starlight“ bereits genauer angesehen. Hier geht’s zur Buchvorstellung: https://fotopro.world/news/beyond-starlight-eine-dokumentation-ueber-das-leben-und-die-herausforderungen-einer-zirkusfamilie/