In meinem Job als Landschaftsfotograf stehe ich oft mit einem Bein im Grab, weil einige Motive viel Risikobereitschaft erfordern. Hier kommen Tipps zum Überleben beim Fotografieren.
Ich bin kein Kriegs- und auch kein Reportagefotograf, der zum Fotografieren in aktive Vulkane steigt oder Naturkatastrophen dokumentiert. Trotzdem gehe ich als Landschaftsfotograf während meiner Touren überraschend oft ein großes Risiko ein: In Schottland bin ich etwa wegen eines winzigen Fehltritts bis zur Hüfte im Moor eingesunken, in Arizona im Treibsand, und in einem Schweizer Canyon saß ich nach einer ungeplanten Rutschpartie plötzlich zwischen riesigen Felsblöcken fest und kam nicht mehr heraus, während ich in Utah in einem unbekannten Slot-Canyon wegen meiner nassen Schuhe den Halt beim Klettern verlor. In Kalifornien wurde ich unvermittelt von Killer-Bienen angefallen, ein Jahr später von einer Klapperschlange wie aus dem Nichts attackiert. In Montana ist ein mächtiger Bär auf Armlänge an mir vorbeigelaufen, und als der Bär mich kurz und griesgrämig anschaute, war mir nicht klar, ob ich als Frühstück enden würde.
In Island musste ich wegen eines verblockten Rückweges auf allen Vieren über eine fragile Eisbrücke robben, unter der ein 20 Meter breiter Fluss hindurch schoss. Einen Tag später bin ich dort bei einem missglückten Objektivwechsel um Haaresbreite in eine tiefe Gletscherspalte gefallen. In Österreich bin ich auf einem Kaskadenwasserfall ausgerutscht und erst direkt vor der Wasserfallkante in einem kleinen Pool gelandet. In Australien musste ich beim Klettern in einem Canyon unvermittelt einen Sprung vornehmen, um nicht in eine Giftspinne zu greifen – und fand mich an der neuen wackeligen Griffstelle Auge in Auge und keine 20 Zentimeter entfernt einer noch hässlicheren Giftspinne gegenüber.
In Colorado hat mich eine heftige Windböe fast über die Kante des über 500 Meter tiefen Black Canyon of the Gunnison geschleudert. Und in Finnland hatte ich bei einer Wintertour bereits mit meinem Leben abgeschlossen, weil ich im dichten Nebel, Sturm und bei minus 25 Grad in der Dämmerung den Weg zurück zum Parkplatz nicht mehr fand – sowohl mein Smartphone als auch mein GPS-Gerät hatten unvermittelt den Geist aufgegeben. Das Zeitfenster zwischen Leben und Tod lag hier bei vielleicht fünf Minuten, und nur durch Zufall und kurz vor Einbruch der Dunkelheit habe ich im letzten Moment den richtigen Weg entdeckt.
Draufgänger und Angsthasen
Jedes einzelne dieser Erlebnisse hätte problemlos meinen Tod bedeuten können. Und jedes einzelne Erlebnis muss den Eindruck vermitteln, dass ich meinen Job wie ein gedankenloser Springinsfeld, ein naiver Draufgänger oder extracooler Hasardeur ausübe. Doch nichts von dem stimmt, eigentlich bin ich eher ein Angsthase. Ich weiß um die Risiken meines Jobs und plane daher meine Touren akribisch, hole mir alle verfügbaren Infos zu lokalen Gefahren ein, wäge vor Ort Risiken lange ab. Ich bin immer gut vorbereitet und stets vorsichtig – und trotzdem passiert fast immer etwas Unvorhergesehenes, Unplanbares. Mittlerweile sind mindestens drei erfahrene Kollegen von mir in Ausübung ihres Berufs verstorben; noch dramatischer: Direkt neben mir sind zwei Amateure beim Fotografieren tödlich verunglückt. Schlichtweg aus Unachtsamkeit. Die Bilder der Sterbenden werde ich nie vergessen.
Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn verfolgt man die Unfälle und Todesfälle von Fotografierenden in den Medien, summiert sich das alleine in den amerikanischen Nationalparks auf überraschend hohe Zahlen. Ja, es gibt – wie oben beschrieben – durchaus Situation oder Wetterereignisse, die nicht vorhersehbar sind, aber hohes Risiko lässt sich sehr einfach vermeiden. Hier kommen einige Tipps für deine nächsten (sicheren) Touren:
- Nutze immer, mindestens aber bei unbekanntem Terrain oder bei extremen bzw. wechselhaftem Wetter ein GPS-Gerät, kenne dich mit dessen Benutzung aus, und habe immer Ersatzbatterien dafür dabei. Sich nur auf die Navigation per Smartphone zu verlassen, ist gefährlich, weil die Akkulaufzeiten insbesondere bei niedrigen Temperaturen schnell zu kurz werden oder sich bei Hitze die Smartphones auch mal länger ausschalten.
- Analysiere potenzielle Gefahren der aktuellen Umgebung genau: Wie hoch sind die Wellen am Strand, wie tief die Flüsse, die du durchqueren musst? Kommst du beim Klettern bestimmter Passagen oder Sprünge auch wirklich wieder zurück? Wie rutschig ist es am Rand von Wasserfällen? Wie lange dauern bestimmte Touren zurück, etwa in der Mittagshitze oder nachts in der Dunkelheit?
- Habe bei jeder Tour eine Taschenlampe (inkl. Ersatzbatterien) bei dir; die fotografisch attraktive abendliche Dämmerungsphase ist schneller vorbei, als man schaut, und der Rückweg ist in der Dunkelheit oft schwer zu finden.
- Nutze die Expertise von Rangern und Einheimischen, um dich im Vorfeld über bedrohliche Tiere in dieser Region, gefährliche Wanderwege oder schwer zu erreichende Locations zu informieren.
- Hinterlasse bei riskanten Touren immer bei Rangern, in deiner letzten Unterkunft oder bei Angehörigen deine Pläne und vorgesehene Rückkehrzeiten.
- Habe besonders bei Locations mit wechselhaftem Wetter oder mit extremen Temperaturen stets die Wetterprognose im Blick. Breche im Zweifelsfall die Tour ab, wenn Wetterumschwünge schneller als vorhergesagt kommen.
- Habe immer mehr als ausreichend zu Trinken dabei. Ich habe schon mehrfach dehydrierte und bereits völlig verstörte, desorientierte Personen zurück zum Ausgangspunkt ihrer Touren bringen müssen.
- Ich habe es schon häufig als eine Art Lebensversicherung erlebt, nicht alleine auf meinen Touren unterwegs zu sein. Gefahren lassen sich zu zweit besser analysieren, und es war auch nicht nur ein Mal, dass wir uns gegenseitig aus brenzligen Situationen helfen mussten.
Zu guter Letzt, ein entspannender Gedanke: Nur die wenigsten sehr guten Motive benötigen eine extreme Aufnahmeposition und das Eingehen von übermäßigem, unkontrolliertem Risiko. Engagiere dich voll für deine Fotos, aber riskiere nie alles!