Es ist kein Zufall, sondern eine echte Entscheidung, nicht zu schnell mit seinen fotografischen Ergebnissen zufrieden zu sein. Entscheide dich bewusst für mehr Bildqualität!
Bretagne, Anfang Oktober, am breiten Sandstrand der Kleinstadt Crozon. Ein absolut trister Morgen, mausgrauer Himmel, null Dämmerungsfarben, fast keine Wellen. Nicht wirklich optimale äußere Bedingungen für spannende Meeresbilder … Aber aufgeben gibt’s bei mir nicht, denn ich weiß, dass sich auch am langweiligsten Strand und selbst bei diesem Matschwetter irgendwo richtig gute Motive verstecken können. Immerhin ist an diesem Morgen tiefe Ebbe und daher finde ich schnell nette Muscheln, filigranes (wenngleich zerzaustes) Seegras, ein paar ganz interessante Sandverwerfungen, eine fotografisch halbwegs spannende Höhle am Rand des Strandes.
Vor 15 Jahren hätte ich das alles mit Hingabe fotografiert, aber im Laufe meines Lebens als professioneller Landschaftsfotograf habe ich gelernt, nicht mehr an netten, erstbesten Motiven stehen zu bleiben, mich daran festzubeißen – um zu Hause beim Durchsehen dieser Bilder dann doch alle wegzuschmeißen. Ich habe mich schon früh dazu entschlossen, innerhalb einer Location die wirklich besten Motive zu finden und zu fotografieren. Lieber komme ich von einem morgendlichen Fototrip mit nur zwei sehr guten Bildern als mit 30 mittelprächtigen zurück.
Bildstörungen will niemand sehen
Nach gut einer Stunde Suchen fielen mir an diesem Strand endlich interessante Strukturen auf, die ein kleiner Bach in den Sand gezaubert hatte. Doch auch diese Strukturen waren nur „erstbest“, viele waren von Fußabdrücken frühmorgendlicher Spaziergänger halb zerdrückt, von Seegras leicht überdeckt oder in ihrer Form einfach doch nicht ideal. Solche Bildstörungen will niemand sehen, weil sie das eigentlich schöne Motiv entwerten. Wie immer in solchen Situationen suchte ich an diesem Strand systematisch weitere feine Bachläufe ab – und urplötzlich waren sie da: nicht erstbeste, sondern absolut perfekte grafische Muster im Sand.
Wann und wo immer ich meine Fotoworkshops und -reisen leite, erlebe ich genau dieses Phänomen, dass sich viele Teilnehmer:innen zu schnell mit den erstbesten Motiven zufriedengeben und diese im ungünstigsten Fall auch noch von der erstbesten Stelle aus fotografieren. Ich ermuntere meine Teilnehmer:innen dann immer, innerhalb der Workshoplocation weiterzusuchen, nicht gleich die ersten netten Stellen zu fotografieren, sondern interessantere, neue, ungesehene Motive zu entdecken und diese aus einer gut überlegten Perspektive abzulichten.
Das Optimum ist das Ziel
Wage einmal dieses Experiment und lassen dich an deiner nächsten Fotolocation nicht vom Erstbesten verleiten. Überlege dir vor dem Auslösen der Kamera, ob du vom gewählten Motiv absolut überzeugt bist – oder ob es an diesem Ort dieses Motiv (sei es eine Blüte, ein Blatt, ein Tier, ein Durchblick) nicht noch schöner reiner, besser, klarer gibt. Das hört sich einfach in der Umsetzung an, fordert jedoch deine volle Entscheidung, echte Überwindung, durchaus entnervende Sucharbeit und viel Geduld. Gönne dir und deiner Fotografie ab sofort nur noch das Beste, das perfekte Motiv, die passendste Perspektive. Deine Bilder werden sichtbar gewinnen!