Nachdem wir im ersten Teil des Interviews mit Karin Rehn-Kaufmann, Art Director & Chief Representative Leica Galleries International, über das Konzept der Leica Galerien und die Herausforderungen während der Pandemie gesprochen haben, geht es in Teil 2 unter anderem darum, wie Leica mit Ausstellungen und dem Leica Oskar Barnack Award (LOBA) Fotograf:innen fördert und ihnen in der Leica-Welt eine außergewöhnliche Plattform bietet.
Fotoausstellungen sind für Künstler:innen eine große Chance. Auf welche Weise fördert Leica Fotograf:innen?
Wir unterstützen die Fotografinnen und Fotografen auf verschiedenen Wegen: Da sind zum einen die Leica Galerien, deren Zahl stetig wächst. Allein dadurch ergibt sich für die Künstler:innen ein riesiges Netzwerk, das es so kein zweites Mal gibt. Hier beschränken wir uns nicht auf zehn bis zwölf Stammfotograf:innen, die wir immer wieder ausstellen, sondern suchen regelmäßig nach neuen Talenten.
Zum anderen bieten wir mit der „Leica Fotografie International“ (LFI) ein schönes und hochwertig gestaltetes Fotomagazin an. Auch hier haben Fotograf:innen die Möglichkeit, Fotostrecken zu zeigen und ihre Geschichten zu erzählen.
Zudem verleihen wir den Leica Oskar Barnack Award (LOBA), der in diesem Jahr zum 42. Mal stattfindet. Der Preis steht seit Anfang an unter demselben Motto: „Der Mensch in Beziehung zu seiner Umwelt“. Ein Thema, das in all der Zeit nicht an Aktualität eingebüßt hat, sondern täglich relevanter wird. Mit dem Leica Oskar Barnack Award ist nicht nur ein hochdotierter Preis verbunden (40.000 Euro für den Gewinner plus Kamera und 10.000 Euro für den Newcomer plus Kamera) – die Gewinner:innen und Finalist:innen bekommen darüber hinaus eine große Ausstellung im Ernst Leitz Museum, wie auch ein Sonderheft im Rahmen unseres hochwertigen Fotomagazins LFI (Leica Fotografie International). Die Ausstellung wandert anschließend in andere Museen, zu Fotofestivals und auch in unsere Galerien.
Mir ist wichtig, den Fotograf:innen eine Plattform zu bieten. Denn in einer Welt, wo jeder ein Smartphone mit Kamera dabei hat und Schnappschüsse die sozialen Medien beherrschen, ist es schwierig, herauszustechen. Ich bin jedoch der festen Überzeugung, dass einzelne Bilder die Macht haben, die Menschen zu bewegen und die Welt zu verändern. Denken Sie nur an die Aufnahme „The Terror of War“ von Nick Út.
Mit Bildern lassen sich Botschaften transportieren – und das ist auch in der heutigen Zeit sehr wichtig. Ich bin dankbar, dass es nach wie vor Fotograf:innen gibt, die ihr Leben riskieren, wenn sie ihrer Arbeit nachgehen – etwa in Kriegssituationen.
Wie reiht sich hier die Leica Hall of Fame ein?
Bereits seit 2011 beruft die Leica Camera AG herausragende Fotograf:innen in die Leica Hall of Fame. Ihre Werke sind Bildikonen, die sich in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben. Steve McCurry war der Erste, der mit dem Leica Hall of Fame Award geehrt worden ist. Es folgten namhafte Fotografinnen und Fotografen wie zum Beispiel Barbara Klemm, Thomas Hoepker und Joel Meyerowitz. Im vergangenen Jahr hat nun Ralph Gibson den Award für sein Lebenswerk erhalten.
In diesem Zusammenhang entstand das Leica Picture of the Year. Dabei handelt es sich um ein Bild der Fotografin oder des Fotografen, die oder der im jeweiligen Jahr den Leica Hall of Fame Award erhält. Sammler:innen haben die Möglichkeit, eines der streng limitierten Exemplare käuflich zu erwerben.
Bei Ralph Gibson haben wir ein Motiv gewählt, das er mit der damals frisch erschienenen Leica M11 aufgenommen hat. So konnten wir ein Bild anbieten, das bis dato noch niemand kannte. In allen Leica Galerien gibt es diese Aufnahme exakt dreimal – insgesamt also 75 Stück –, alle Exemplare sind von Ralph handsigniert und ausschließlich vor Ort bzw. über die Galerien erhältlich.
Das Konzept möchten wir in den kommenden Jahren weiterführen, sodass mit der Vergabe des Leica Hall of Fame Awards auch eine neue Edition des Leica Picture of the Year erscheint.
Worin bestehen die Benefits für die aufgenommenen Künstler:innen?
Unsere Hall of Fame-Künstler werden von uns mit einer M-Kamera samt Objektiv ausgestattet, das teilweise selbst bestimmt werden kann. Auf diesen wird die Unterschrift des Künstlers und der Leica Hall of fame eingraviert. Damit einher geht eine große Ausstellung in Wetzlar am Leica Headquarter, die dann anschließend in den anderen Galerien gezeigt wird. Und natürlich featuren wir auch alle Infos auf unseren Social Media Plattformen.
Non-fungible Token – NFT – erobern gerade die Kunstwelt. Schließt sich Leica dem Trend an?
Ich beobachte den Trend schon eine Weile, hinterfrage aber zurzeit noch den Sinn für uns. Die Leica Galerien stehen dafür, dass es sich bei einem Bild immer um ein ausgedrucktes oder belichtetes Bild handelt und man hierzu einen Kunstzugang findet. Ein Bild auf Leinwand oder Papier überliefert Werte, Emotionalität und Tiefe, die die digitale Version nicht nachahmen kann. Meiner Meinung nach ist Kunst im digitalen Raum schnelllebiger, wohingegen ich in einer realen Ausstellung Zeit mitbringen muss, um mich mit den Fotografien auseinanderzusetzen und selbst entscheide, welche Bilder ich mir länger anschaue, an welches Bild ich näher herantrete und vielleicht Dinge entdecke, die mit einem schnellen Blick auf ein digitales Bild, nicht so wahrgenommen werden. Damit entscheide ich als Betrachter, welche Bilder wirklich in meinem kollektiven Bildgedächtnis überhaupt langfristig hängen bleiben – und das sind eben ganz stark die geprinteten Bilder. Dennoch setzen wir uns bei Leica natürlich mit dem Thema auseinander und beobachten, welche Wege in Bezug auf NFT gegangen werden können.
Liebe Frau Rehn-Kaufmann, vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Informationen zu den Leica Galerien:
leica-camera.com/de-DE/leica-galleries/overview
Hier geht’s zurück zu Teil 1 des Interviews.
Darin spricht Karin Rehn-Kaufmann (Bild: Stephan Pick) über das Konzept der Leica Galerien und die Herausforderungen während der Corona-Pandemie.