Für Künstler:innen bieten die Leica Galerien ein wichtiges Netzwerk, doch auch an den Ausstellungsorten ist die Corona-Pandemie nicht spurlos vorbeigegangen. Karin Rehn-Kaufmann, Art Director & Chief Representative Leica Galleries International, kennt sich mit den Herausforderungen der Gegenwart gut aus. Sie leitet weltweit die Leica Galerien und erzählt im Interview, wie sie dem Pandemie-Geschehen getrotzt hat, warum Fotograf:innen eine Plattform benötigen und was hinter dem Leica Picture of the Year steckt.
Frau Rehn-Kaufmann, Ende Januar fand die Buchvorstellung des Fotografen Klaus Mellenthin in der Leica Galerie Stuttgart statt. Sind Sie froh, dass solche Termine wieder möglich sind?
Ich freue mich, dass unsere Galerien nach und nach wieder öffnen können. Denn ich habe das Gefühl, dass sich die Menschen nach Kunst und Kultur sehnen und gerne wieder in Museen und Galerien kommen wollen.
Klaus Mellenthins Arbeiten waren in der Leica Galerie Stuttgart zu sehen. Wie bewerten Sie seine Bilder?
Ich durfte Klaus Mellenthin bei seiner Buchveröffentlichung am 22. Januar zum ersten Mal tatsächlich live und persönlich treffen. Wir hatten ein wundervolles, offenes und spannendes Interview. Man merkt ihm selbst, aber auch seinen Aufnahmen an, dass er sich viel Zeit für den jeweiligen Moment nimmt und den Menschen mit Liebe begegnet. So bekommt der Betrachter das Gefühl, dass sich die Porträtierten wahrhaftig zeigen. Das Credo „Mensch zu Mensch auf Augenhöhe“ lebt Leica seit Anbeginn. Wer als Porträtfotograf:in erfolgreich sein will, muss auf Menschen zugehen können. Wie Klaus ist auch Steve McCurry ein sehr gutes Beispiel dafür: Beide schaffen es, dass die Menschen sich ihnen öffnen, selbst wenn sie nicht ihre Sprache sprechen. Die Leica Galerie in Stuttgart bietet mit dem Blick auf die historischen Kellerwände ein schönes Ambiente – je nach Ausstellung bildet das Mauerwerk einen stilvollen Kontrast oder unterstreicht die Aussage der gezeigten Aufnahmen.
Welche Auswirkungen hatte das Pandemie-Geschehen auf die Galerien? Und wie haben Sie darauf reagiert?
Corona hat uns vor viele Herausforderungen gestellt, uns aber auch die Chance gegeben, neue, kommunikative Wege zu gehen. Wir haben zum Beispiel während des Lockdowns eine digitale weltweite Pressekonferenz mit Steve McCurry abgehalten, um die Ausstellung „The Eyes of Humanity“ vorzustellen. Die Leica Galerie Stuttgart hat etwa einen virtuellen Rundgang entwickelt, sodass zumindest im digitalen Raum ein Galeriebesuch möglich wurde.
Zudem hatten wir in der Zeit 2019/2020 die Möglichkeit, unser Headquarter, das Ernst Leitz Museum in Wetzlar, einem Umbau zu unterziehen. So wurde das Museum komplett neu gestaltet: „Erfahrungsspaces“ für Jung und Alt, egal ob mit Handy oder DSLR, und eine digitale Dunkelkammer formen nun im oberen Bereich eine „touch and feel“-Area, die mit Licht und Schatten, Farben und Windmaschinen zum Erkunden und Fotografieren einlädt. Zudem haben wir Soundboards installiert, auf denen man unter anderem das Auslösegeräusch der M6 hören kann. Im unteren Teil des Museums findet man die „klassischen“ Fotoausstellungen. So konnten wir das Prinzip „Hands On“ in die Realität umsetzen und die Fotografie bzw. die Kunst greifbar und erlebbar machen.
Welches Konzept steckt hinter den Leica Galerien?
Für Fotograf:innen ist es heute immer schwieriger, eine Plattform für ihre Geschichten und ihre Reportagen zu finden. Die Leica Galerien bieten den Fotograf:innen die Möglichkeit, ihre Geschichten zu erzählen, mit ihren Bildern zu berühren, aufzurütteln, anzustoßen und aufzudecken. Unsere Galerien sind Orte der Begegnung und des Austauschs für Fotoenthusiasten, Fotobegeisterte, Interessierte, einfach für jeden.
Als ich mich 2008 entschieden habe, im Kulturbereich bei Leica mitzuarbeiten, gab es vier Galerien, die alle geschlossen werden sollten, da sie nicht rentabel waren. Daraufhin haben mein Mann und ich eigenständig die Leica Galerie in Salzburg eröffnet. Wir wollten unbedingt das Erbe erhalten, das Leica in der Kultur innehat. Heute ist die Leica Camera AG in 18 Ländern vertreten, aktuell gibt es weltweit 26 Galerien – Tendenz steigend.
Für alle Galerien, unabhängig vom Betreiber, gilt derselbe Ansatz: Im Fokus stehen die vielfältigen Möglichkeiten der Fotografie und die Fotograf:innen selbst, die wir mit Hilfe der Galerien unterstützen wollen. In unseren Galerien möchten wir unsere Kunden mit der Leica Welt verbinden. Dazu veranstalten wir unterschiedliche Events, spannenden Talks von Fotograf:innen, Booksignings und Workshops. Was die Workshops betrifft, hat Leica schon sehr früh begonnen, eine internationale Leica Akademie aufzubauen.
Die Leica Galerien bilden einen Gegenpol zu unserer digitalen Welt. Ich sage oft: Ein Bild ist erst dann ein Bild, wenn es ausgedruckt ist. Alles andere sind manipulierbare Daten.
Sie haben angesprochen, dass einige der Galerien von unterschiedlichen Betreibern geführt werden. Wer darf eine Leica Galerie eröffnen? Und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden?
Wir haben insgesamt drei verschiedene Galeriemodelle. Das fängt mit den Galerien an, die uns selbst gehören, wie die, die man in den Stores findet, die aber dennoch räumlich getrennt sind. Wie beispielsweise in Stuttgart, wo wir oben die Beratungs- und Verkaufsfläche haben und im Untergeschoss befindet sich die Galerie. Die Galerien müssen eine gewisse Größe aufweisen und vom Store getrennt sein. Mir ist es wichtig, dass in den Galerien hochwertige Fotokunst und Reportage-Fotografie gezeigt wird und dass man die Vielfältigkeit und Möglichkeiten der Fotografie, aber vor allem auch deren Qualität, zeigt.
Das zweite Galeriemodell bezieht sich auf einige unserer Händler, die inzwischen den Wert einer Galerie erkannt haben und ihre Leica ICO Stores um eine Galerie ergänzen. Das ist zum Beispiel bei einigen Händlern in Nürnberg, Konstanz und bald auch in Amsterdam der Fall.
Als drittes Modell gibt es noch die Leica Galerien, die von Menschen geführt werden, die so begeistert von der Marke Leica sind, dass sie selbst anfragen, ob sie eine Leica Galerie eröffnen oder übernehmen dürfen. Die Personen finanzieren alles selbst, sind unter bestimmten Auflagen im Leica Netzwerk inkludiert, und können so davon profitieren.
Hier geht’s weiter zu Teil 2 des Interviews.
Darin spricht Karin Rehn-Kaufmann (Bild: Richard Schabetsberger) über die Möglichkeiten, wie Leica Fotograf:innen fördert und unterstützt.