Noch bis zum 20. April können in der Ausstellung “Eternal Icons” in der Leica Galerie München zeitlose Mode-Fotografien aus den 90iger Jahren von Nomi Baumgartl bewundert werden. Wir haben die Fotografin getroffen und mit ihr über die Ausstellung, die Modefotografie und Erinnerungen gesprochen.
„Eternal Icons“ nimmt uns mit auf eine Zeitreise, zurück in die 90iger Jahre und zu den großen Laufstegen der Welt. In kunstvollen Farb- wie Schwarz-Weiß-Aufnahmen erhalten wir einen Einblick hinter die Kulissen der Modewelt. Die Aufnahmen in der Galerie sind dabei alle analog fotografiert worden – mit einer Leica M6.
Aktuell widmet sich die Fotografin vor allem Naturschutzprojekten. So hat sie auch das Alpenschutz-Projekt “Eagle Wings protecting the Alps” ins Leben gerufen. Dafür investiert sie auch einen Teil der Erlöse, die in den Leica-Galerien eingenommen werden.
Wir trafen die Fotografin vor Ort in der Leica Galerie München, wo noch bis zum 20. April ihre Ausstellung „Eternal Icons“ zu sehen sein wird.
Interview mit Nomi Baumgartl zu Eternal Icons
Die meisten Aufnahmen entstanden Anfang der Neunziger Jahre. Wie kam es dazu, dass die Bilder genau jetzt ausgestellt werden?
Eine Sammlerin kam auf mich zu. Sie wollte mehr meiner Modebilder sehen. Kennengelernt habe ich sie, als sie ein Bild von meiner damaligen Galeristin gekauft hat. Die beiden Hände, die sich berühren: Ich habe es „Love Matters“ genannt in Anlehnung an „Black Matters“. Es geht um Grenzen aufheben, Brücken bauen. Es hängt auch draußen, an der Wand von Tatjana Patitz. Dieses Bild hat die Sammlerin bei meiner damaligen Galeristin wahrgenommen, wollte es aber in ganz groß gedruckt haben. So hat das seinen Start genommen.
Da gibt es aber noch eine kleine Vorgeschichte, ein Trauma.
Ein Trauma?
Ich hatte ein analoges Archiv am Ammersee. Da gab es im Jahr 1999 ein Jahrhunderthochwasser. Da ist mein großes Lebenswerk – wenn es denn eins gab – davongeschwommen.
Darunter waren meine großen Reportagejahre, die Siebziger, wo ich nach dem Studium in die Welt geschickt wurde. Die Vintageprints, die Negative, alles ist im Schlamm verloren gegangen. Das war ein Trauma.
Der Rest, der gerettet werden konnte, lagert aktuell in einem anderen Archiv. Und war vor der Ausstellung noch in unzähligen Kisten verpackt – und zwar hier in einer Tenne bei Murnau am Staffelsee, wo ich wohne. Ich wusste, dass darin vor allem die 90iger Jahre waren. Der große Wasserschaden hat meine Aufnahmen der Siebziger, bis in die achtziger Jahre hinein, zerstört. Bei den Neunzigern wusste ich, dass, wenn ich noch etwas hatte, es in diesen Kisten sein musste.
Wenn Sie noch etwas haben?
Damals war es so, dass wenn man Material abgegeben hat, dann war das immer alles – auch die Negative. So hatte der Kunde oder die Agentur alles, um damit arbeiten zu können. Alles, was noch bei mir noch verblieben ist, sind also Fragmente.
Hättest Du das zurückbekomme können?
Das kommt darauf an, welche Verträge man hatte. Agenturen oder Kunden wollten alles behalten. Aber bei Magazinaufträgen hätte ich Bilder zurückbekommen können. Ich hätte mich damals darum kümmern können, aber ich war in der Welt unterwegs und das ist auf der Strecke geblieben.
Und dann kam die Anfrage der Sammlerin.
Das war die Eveline Schönleber, Geschäftsführerin und Stakeholder bei MAC-Jeans. Sie wollte noch mehr Modefotos sehen, alles, was ich noch an Modearbeiten hatte. Und so fingen die Ausgrabungen an – fast schon archäologisch. Eveline war dabei so begeistert, dass sie Rushprints mitgenommen hat, wo ich noch nicht einmal wusste, wo die Negative waren. Ich hatte diese nicht geschlossen zusammen gelagert.
Daraus kam die erste Ausstellung zustande, die sie gemeinsam mit Emanuel Sirch, einem ihrer Mitarbeiter, kuratierte: die “Unseen Icons”, welche 2022 sehr erfolgreich waren.
Die “Eternal Icons” sind jetzt die Erweiterung der “Unseen Icons” mit den Aufnahmen, die ich mit einem Team weiter aus dem Archiv geborgen habe.
Eine Wand in der “Eternal Icons” Ausstellung ist neuer. Welche Verbindung haben Sie zu Tatjana Patitz?
Die Wand mit Tatjana Patitz war mein Herzenswunsch. Tatjana Patitz war eine dieser großen Modelikonen. Sie war aus der Modelszene dieser Ära immer eine „Pure Magic Nature“ – sie war einfach eine Naturschönheit. Und hat sich sehr von den anderen Models unterschieden. Sie ist nicht in diese großen Irritationen geraten wie andere – wie die Drogenszene. Es waren ja eben die Jahre, wo es gerauscht hat. Tatjana war immer sehr naturverbunden – und da war unsere Connection.
Ich hab sie bei einem Auftrag von Yohji Yamamoto kennengelernt, in Paris. Aus diesem Kontakt ist dann später eine Zusammenarbeit entstanden, als ich ein großes Projekt realisiert habe für Dolphin Aid. Das ist eine Organisation, die für behinderte Kinder Delfintherapie ermöglicht. Für Dolphin Aid habe ich Tatjana und Champions aus der internationalen Surferszene zusammengestellt für die Unterwasser-Produktionen auf den Bahamas 2000 und 2001. Alles Menschen, die einen Bezug zu Delfinen hatten. Ich bevor ich das Projekt umgesetzt hatte, selbst in einer sehr speziellen Situation nach einem Unfall, wo ich dann auch Delfintherapie bekommen habe.
Die Wand ist eine Dedication für sie, und ein Auszug aus der Ausstellung “Beyond Fashion 2022” in Hamburg. Tatjana ist vor einem Jahr an Krebs gestorben. Das ist eine „Memory Wand“ – und auch eine emotionale Zusammenstellung. Denn hier ist sie nicht als Model zu sehen, sondern eben als Tatjana in Verbindung mit Delfinen – mit Bezug auf die Natur – wofür sie stand. Und ich auch, hier war unsere Herzensverbindung.
2020 haben Tatjana und ich unabhängig voneinander eine schwere Zeit durchgemacht. Sie hat Ihre Krebs-Diagnose bekommen und ich meine. Ich lebe jetzt mein drittes Leben.
Wie war das Durchwühlen des Archivs für Sie?
Nun, da gibt es noch eine Trauma-Abteilung. Durch meinen Unfall habe ich eine retrograde Amnesie, einen Langzeitgedächtnisverlust ab einem gewissen Zeitpunkt, wo dann nur Dunkelkammern in meinem Kopf herrschen.
So war das für mich auch eine Art und Weise, meinem Leben wieder zu begegnen. Als würde ich mich selber neu entdecken.
Sie können sich also gar nicht mehr an die Zeit zurückerinnern als die Bilder entstanden sind?
An diese Zeit der neunziger Jahre schon. Aber nicht an die Zeit davor.
Gab es da auch Bilder, die Sie positiv überrascht haben? Wo Sie beim erneuten Betrachten sagen konnten: Mensch, tolles Bild.
Auf jeden Fall. Das ist vielleicht auch das Positive, dass ich so viel Abstand habe, dass ich gar nicht mehr so emotional eingebunden bin, sondern einfach nur staunen konnte. Da gab es für mich echte Highlights.
Viele von den Bildern sind von Modeevents, die lange zurückliegen. Durch Ihre Bilder bekommt man einen sehr intimen Einblick. Wie gelingt das?
Der intime Eindruck kommt daher, dass die Aufnahmen größtenteils Backstage entstanden sind. Diese Welt sieht man sonst nicht. Dort wird sich umgezogen, geschminkt – dort ist das große Spannungsfeld, die Nervosität und Anspannung. Das macht die Bilder auch sehr intim. Eine Intimität, die es auch als Fotografin zu beschützen gilt: keine Nacktaufnahmen zu machen, Respekt und Feingefühl zu zeigen. Das ist eine Geburtsphase. Eine Welt, wo alle Emotionen mitspielen. Bei jedem ganz unterschiedliche auch. Manche nehmen das sehr gelassen, andere sind sehr angespannt.
Alles, was man in den Magazinen sieht, oder auf dem Catwalk sieht, ist das Ergebnis. Das, was klassischerweise vor der Kamera ist.
Fühlen Sie diese Emotionen immer noch?
Durch die Bilder schon, ja. Sonst ist das nicht so. Aber in uns wird alles abgespeichert. Wenn wir uns wieder daran erinnern, leben die Emotionen auf. Wenn ich die Bilder sehe, fühle ich mich wieder wie in dieser Zeit.
Photographie ist zeichnen mit Licht.
Nomi Baumgartl
Unser Gespräch begann in der Galerie mit diesem kleinen Zitat, das ich hier ans Ende setze, und einem Gespräch über das die Antike und dem guten Auge der damaligen Künstler für Schönheit und Ästhetik. Danke für die Zeit, Nomi Baumgartl!
Weitere News rund um Fotokunst und Fotokultur auf fotopro.world: