“Legacy of Lies El Salvador 1981 –1984” vom TIME-Magazin-Fotografen Robert Nickelsberg beleuchtet ein wichtiges Kapitel lateinamerikanischer Geschichte. Wir blättern in das Buch und geben ein ausführliches Review.
Die frühen Achtziger Jahre waren eine turbulente und gefährliche Zeit in El Salvador. “Legacy of Lies El Salvador 1981 –1984″ will einen Einblick in diese Zeit geben – aus der Perspektive von Fotografen und Journalisten, die zu eben jeder Zeit dort vor Ort gearbeitet haben. Dabei sind hier bisher unveröffentlichte Schwarz-Weiß-Bilder des amerikanischen Fotografen Robert Nickelsberg zu sehen, die dieser für das TIME Magazine aufgenommen hat; ergänzt wird das durch Essays renommierter Journalist*innen.
Hierbei handelt es sich um einen englischsprachigen Bildband.
Hintergrundgeschichte
Zu Beginn der 1980er Jahre waren die politischen Entwicklungen des Kalten Krieges in Zentralamerika von einer beunruhigenden Energie geprägt. Nachdem linksgerichtete sandinistische Rebellen 1979 in Nicaragua die Somoza-Regierung stürzten, unterstützten die USA verstärkt die rechtsgerichtete Militärregierung El Salvadors gegen den wachsenden sowjetischen und kubanischen Einfluss und die linke Ideologie in Lateinamerika – und heizten so den 13-jährigen Bürgerkrieg in El Salvador an.
Durchgeblättert: Legacy of Lies von Robert Nickelsberg
Mit 22 x 29,3 cm bei knapp 200 Seiten und einer soliden Hardcover-Bindung hat man mit Legacy of Lies – El Salvador 1981-1984 von Robert Nickelsberg einiges in der Hand. Und wo das Titelschild ein noch charmantes Porträt der ERP Guerillas, auf körnigem Analogfilm aufgenommen, zeigt, wird es im Buch selbst deutlich düsterer.
Robert Nickelsberg zeigt uns das El Salvador, über welches er live berichtete ungeschönt: Hart trainierende Soldaten beider Seiten, müde Zivilisten, Tote. In teils präzisen teils umfassenden Bildbeschreibung bekommen wir einen Eindruck von der unruhigen Zeit. Umfassende, lange und spannende Essays von Journalisten geben uns jede für sich eine neue Perspektive auf das Geschehen. Dabei verlässt einem das Gefühl nicht, dass sie noch einmal, ganz ohne Zensur oder Korrektur, darüber berichten, was sie damals erlebten – und was sie vor Ort erlebten. Und wie sie nach all der Zeit mittlerweile darüber reflektieren und denken.
Wer sich für Zeitgeschichte und den Fotojournalismus von Kriegsberichtsreportern interessiert, erhält hier ein Buch, dass spannend, tiefgründig, aber auch eine schwere Lektüre ist.
Impressionen und Geschichten
Salvadorianische Angehörige des Atlacatl-Bataillons überqueren einen Fluss während einer Militäroperation im Departement San Miguel, El Salvador, etwa Ende August bis Anfang September 1983. Das Atlacatl-Bataillon wurde in Ft. Bragg in den Vereinigten Staaten von US-Spezialkräften als erstes salvadorianisches Schnellreaktionsbataillon zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet und war in einige der berüchtigsten Menschenrechtsverletzungen des zwölfjährigen bewaffneten Konflikts verwickelt.
Salvadorianische Militärbefehlshaber und der Leiter der Finanzpolizei Oberst Nicolás Carranza, 3. von links, sitzen während einer Zeremonie in der Escuela Militar Capitán General Gerardo Barrios in Santa Tecla, El Salvador, Mai 1983. Carranza arbeitete in den späten 1970er Jahren mit Roberto D’Aubuisson und José Guillermo García zusammen, um das paramilitärische Netzwerk der Todesschwadronen im ganzen Land aufzubauen. Als stellvertretender Verteidigungsminister von 1979 bis 1981 und Leiter der berüchtigten Finanzpolizei im Jahr 1983 hatte er das Kommando über die Kräfte, die für die zahlreichen Angriffe auf die Zivilbevölkerung verantwortlich waren. Er war ein bezahlter CIA-Informant, der jährlich 90 000 Dollar erhielt, um Informationen über die salvadorianische Linke zu beschaffen.
Ein gepanzerter Cadillac der US-Botschaft hält vor einem ankommenden US-Regierungsflugzeug in Ilopango, El Salvador, November 1982. Die zentralamerikanischen Konflikte, die als eine der letzten großen Schlachten des Kalten Krieges angesehen werden, zogen die Aufmerksamkeit Washingtons auf sich, und Beamte besuchten die Region häufig, um Strategien zu bewerten und die Doktrinen des militärischen Sieges und des Aufbaus der Demokratie zu fördern.
Über Robert Nickelsberg
Den politischen und kulturellen Wandel in Entwicklungsländern dokumentierte Robert Nickelsberg fast drei Jahrzehnte lang als Vertragsfotograf des TIME Magazine. Mitte der 1980er Jahre berichtete er über Konflikte in Mittel- und Südamerika. Danach zog es ihn nach Asien. Von 1988 bis 1999 lebte er in Neu Delhi und dokumentierte den Aufstieg des religiösen Extremismus in Südasien. Er berichtete aus dem Irak, Kuwait, Vietnam, Kambodscha, Myanmar und Indonesien. Nickelsbergs Engagement in Afghanistan begann 1988 mit der Begleitung von Mudschaheddin auf ihrem Weg über die Grenze von Pakistan nach Afghanistan.
Sein Buch A Distant War, eine Zusammenfassung seiner 25-jährigen Arbeit in Afghanistan, wurde 2013 mit dem Olivier Rebbot Award des Overseas Press Club für die beste Fotoreportage aus dem Ausland ausgezeichnet. Seine eindringlichen Fotografien wurden unter anderem im Philadelphia Museum of Art, im International Center of Photography, im Queensborough Community College, im Afghanistan Center der Universität Kabul und in der New America Foundation in New York ausgestellt. Im Jahr 2008 unterstützten das Dart Center for Journalism and Trauma und die South Asian Journalism Association seine Reportagen über posttraumatischen Stress in Kaschmir, Indien. Im Jahr 2015 erhielt er von der O’Halloran Family Foundation ein Stipendium, um sein laufendes Projekt, den Sexhandel zu bekämpfen, zu unterstützen.
Seine Arbeiten sind auf Instagram (@nickelsberg), und seiner Webseite robertnickelsberg.com zu sehen.
Legacy of Lies – El Salvador 1981-1984 von Robert Nickelsberg
Legacy of Lies
El Salvador 1981 –1984
von Robert Nickelsberg
Texte von Jon Lee Anderson, Carlos Dada,
Alma Guillermoprieto, Robert Nickelsberg, Scott Wallace
Gestaltet von Bonnie Briant
Halbleineneinband mit Titelschild
22 x 29,3 cm
192 Seiten
105 Duplexabb.
Englisch
ISBN 978-3-96900-153- 0
55,00 Euro
Zum Buch: www.kehrerverlag.com
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