Beim Fotofestival Xposure in Schardscha (VAE) sind dieser Tage über 70 Fotografen zu Gast – mit Ausstellungen, Vorträgen und Workshops. Darunter einige Namen, die schon heute als Legenden gelten dürfen. Sie feiern die Fotografie und zeigen, wozu Bilder im Stande sind. fotoPRO-Herausgeber Florian Schuster ist vor Ort.
Viel zu lange haben wir Bilder vor allem digital betrachtet. Ihre wahre Wirkung entfalten sie, wenn man vor ihnen steht. Wenn man durch eine Ausstellung schlendert, sich Zeit nimmt, ständig Neues entdeckt. Innehält. Näher ans Bild herangeht. Mit anderen darüber ins Gespräch kommt. So geht es vielen, die auf der Xposure 2022 unterwegs sind. Echte Menschen! Echte Bilder!
Natürlich sind es auch die großen Namen wie Steve McCurry und James Nachtwey, die Besucher locken. Mindestens genauso spannend sind auch die Fotografinnen und Fotografen, deren Namen nicht ganz so geläufig sind – und deren Bilder wir hier in Schardscha entdecken dürfen.
Schardscha ist das drittgrößte der Vereinigten Arabischen Emirate, nach Abu Dhabi und Dubai. Nur eine halbe Stunde nördlich von Dubai bietet Schardscha weniger Wolkenkratzer, dafür mehr Kunst und Kultur – gefördert von der Herrscherfamilie des Emirats. Das jährliche Xposure International Photography Festival, das 2022 bereits zum sechsten Mal stattfindet, ist eines der Highlights, nicht nur für eingefleischte Fotofans. Die Themenauswahl ist breit, die Qualität der Ausstellungen hoch. Hier stimmt so ziemlich alles, von der Auswahl der Fotograf:innen und ihrer Werke über das Produzieren hochwertigster Prints für die Wand bis zur Hängung und Präsentation im Expo Centre des Emirats. Das Team um Creative Director Simon Newton hat ganze Arbeit geleistet.
Xposure 2022: Über die Veranstaltung
Xposure ist nicht nur eine Galerie mit 45 Ausstellungen, die die ganze Bandbreite der Fotografie zeigen: Landschaft, Krieg, Wildlife, Naturkatastrophen, Architektur, Reportage, … In einer Reihen vor Vorträgen, bei denen auch die Hochkaräter unter den ausstellenden Fotograf:innen zum Einsatz kommen, in zahlreichen Workshops, bei Portfolio-Reviews und in Diskussionsrunden wird die Fotografie als Medium gewürdigt und gefördert.
Ein zentrales Thema der Veranstaltung: Wie Fotografie die Welt verändern kann. Dass sich einiges ändern muss, da sind sich alle einig. Und auch, dass Fotograf:innen mit ihren Bildern darin eine zentrale Rolle spielen können. Sie zeigen der breiten Öffentlichkeit eine Welt, die sonst verborgen bliebe. Ihre Bilder erzählen Geschichten. Sie berühren uns auf die eine oder andere Weise.
National-Geographic-Fotograf Chris Rainier, der mit einer Ausstellung über indigene Völker auf der Xposure 2022 vertreten ist, betonte in seiner Eröffnungs-Keynote: “Wenn wir es schaffen, dass unsere Bilder Teil unseres kollektiven Bewusstseins werden, dann ändern wir die Welt.” Schon Ansel Adams, für den Rainier als Assistent arbeitete, hat mit seinen Fotos der amerikanischen Öffentlichkeit und vor allem Präsidenten und Kongressabgeordneten gezeigt, wie erhaltenswert die amerikanische Wildnis ist. Auch durch Adams’ Arbeit entstanden so geschützte Nationalparks.
Schönheit, die erhalten werden muss
Die schönen Bilder zeigen, um deutlich zu machen, was wir erhalten müssen – das ist ein Weg. Ein anderer: Die Zerstörung vor Augen führen. In einem beeindruckenden Vortrag im Rahmen des in die Xposure eingebetteten Conservation Summit unter dem Motto “Saving Our Oceans”, zeigte Unterwasserfotograf David Doubilet, was gerade in unseren Ozeanen passiert und wie dramatisch die steigenden Wassertemperaturen unter anderem das Great Barrier Reef vor Australien in nur wenigen Jahren dezimiert haben.
Wenn man die Fotograf:innen sprechen hört oder sich direkt mit ihnen unterhält, dann spürt man, wie viel Leidenschaft dahinter steckt. Sie sind nicht nur Betrachter oder Reporter und sie wollen sich gewiss nicht hinter ihren Bildern verstecken. Wir hören Geschichten, die uns nahegehen. Wenn Sattelrobben im Sankt-Lorenz-Golf heute zu wenig Packeis finden, um ihren Nachwuchs zu gebären, dann gezwungenermaßen eine zu kleine Eisscholle wählen – und ein Sturm reicht, um hunderte Robbenbabys auszulöschen. Einige Tage waren Jennifer Hayes und David Doubilet vor Ort, ganz nah dran. Als die Sturmwarnung kam, brachten sie sich selbst in Sicherheit. Als sie im sicheren Auto an Land angekommen waren, hatte der Sturm bereits das Packeis zerstört, alle Tiere tot. Ihre Fotos sind das einzige, was von den Tieren blieb.
Xposure 2022: Einblick in die Arbeit von Brian Skerry
Brian Skerry, dessen Dokuserie “Die geheimnisvolle Welt der Wale” Ende April auf Disney+ startet, gewährte auf der Xposure in seinem Vortrag Einblick in seine Arbeit und zeigte exklusive Bilder:
Die Kraft der Fotografie zeigt sich auch in den Ausstellungen von Fotojournalist:innen, darunter James Nachtwey, dessen Bilder von Kriegen, Konflikten und sozialen Themen seit Jahrzehnten die Welt dokumentieren und gleichermaßen aufrütteln. Auf der Xposure sind unter anderem seine Arbeiten über den salvadorianischen Bürgerkrieg in den 1980er-Jahren, den Zerfall Jugoslawiens in den 1990er-Jahren und die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001 in New York zu sehen. Die beeindruckende Ausstellung verdeutlicht das lebenslange Engagement des Fotografen, noch so brutale Realitäten aufzudecken – in der Hoffnung, Verständnis zu wecken und Frieden zu fördern.
Steve McCurry ebenfalls vertreten
Gegenüber von Nachtwey sind einige der beeindruckendsten Werke von Steve McCurry zu sehen, darunter natürlich auch sein wohl berühmtestes Bild “Afghan Girl”. In der folgenden Bildergalerie haben wir einige weitere Eindrücke, Ausstellungen und Fotografen kompakt zusammengefasst:
Neben den Foto-Ausstellungen gibt es auf der Xposure auch einige Stände von Kamera- und Zubehör-Herstellern. Nikon etwa bietet eine eigene Vortragsreihe am Stand an. Die Xposure 2022 ist noch bis 15. Februar im Expo Centre Sharjah geöffnet, der Eintritt ist frei, lediglich die Workshops sind kostenpflichtig.