Manfred Vollmer gehört zu den wichtigsten Chronisten des Ruhrgebiets. Der Essener widmet sich in seinen Bildern meist der Arbeitswelt der Montanindustrie und den darin agierenden Menschen. Er begleitet mit großer Empathie die Arbeitskämpfe im Ruhrgebiet und dokumentiert die Menschen an ihren Arbeitsplätzen. Eine Ausstellung und ein begleitender Bildband ehren jetzt die fotografischen Werke von Manfred Vollmer unter dem Titel „Ausgelöst – Fotografien von 1968 bis heute“.
„Mein Revier ist das Revier“: Dieses Motto steht seit mehr als 50 Jahren über dem Leben und Schaffen des Essener Fotografen Manfred Vollmer. Das Ruhrgebiet ist sein Zuhause, hier beobachtet und dokumentiert er die Menschen und die Veränderungen, die seine Heimat Stück für Stück durchläuft. Seit seinem Studium an der Folkwangschule in Essen begleitet er den sogenannten Strukturwandel des Reviers. Und doch geht sein Interesse und seine fotografische Arbeit weit darüber hinaus.
„Ausgelöst – Fotografien von 1968 bis heute“ von Manfred Vollmer: Bildband aus dem Ruhrgebiet
Die Ludwiggalerie in Oberhausen hat sich nun seinem Werk angenommen und widmet dem Fotografen eine überblickende Werkschau. Parallel dazu ist der Katalog „ausgelöst – Fotografien von 1968 bis heute“ im Kerber Verlag erschienen. Der Bildband versammelt seine Fotografien aus dem Ruhrgebiet, seine teilnehmenden Reportagen über die Arbeitskämpfe in den 1980er Jahren, aber auch die monumentalen Aufnahmen, die entstanden, als das Ruhrgebiet 2010 Kulturhauptstadt wurde.
Vollmer wurde 1944 im sächsischen Torgau geboren und wuchs in Emmendingen auf. Die Fotografie prägt ihn bereits als Jugendlicher: Er gründet eine Foto-AG an seinem Gymnasium und fotografiert für die Schülerzeitung. Sein schönstes Weihnachtsgeschenk damals: Eine Kamera mit drei Wechselobjektiven. 1965 bewirbt er sich bei Otto Steinert an der renommierten Folkwangschule in Essen und wird aufgenommen. Das Studium bei Steinert beeinflusst seine Arbeit und seine Auffassung von Fotografie bis heute. Mit der Auslandsreportage „Kirchenfenste in Süd- und Mittelitalien“ beendet er sein Studium und wird dafür sogar mit dem Folkwang Preis geehrt.
Spezialgebiet: Dokumentationen
Anschließend arbeitet er als freier Fotograf für Zeitungen, Magazine, Bildagenturen und Buchverlage. Er konzentriert sich auf Reportagen und baut sich über Jahrzehnte hinweg ein stetig wachsendes Archiv auf. 1978 dokumentiert er die Ölpest in der Bretagne, die der havarierte Tanker Amoco Cadiz verursacht hat, und die Aufräumarbeiten vor Ort. Seine Fotoserie wird im darauffolgenden Jahr beim World Press Photo Wettbewerb in der Kategorie „News Pictures Stories“ ausgezeichnet.
Ab den 1980er Jahren fotografiert Vollmer vermehrt für die Gewerkschaften. Für die IG Metall fotografiert er die Tätigkeiten, die Arbeitsbedingungen und die Menschen der unterschiedlichen Gewerke. Er wird so zum Spezialisten für die Arbeitswelt des Reviers. Der damalige Sekretär der IG Metall in Duisburg, Dieter Lieske, berichtet: „Und da läuft mir dieser Fotograf über den Weg und schafft es, mir die Menschen und ihre schwere Arbeit, die ich ein Leben lang zu kennen glaubte, durch seine Arbeit noch viel näher zu bringen.“ Vollmer begleitet Bergleute, Stahlkocher, Opel-Mitarbeiter sowie Angestellte in der Textil- und in der Lebensmittelindustrie. Auch Gastarbeiter holt er vor seine Linse.
Chronist des Reviers
Vor allem aber widmet er sich den Arbeitskämpfen, die um den Erhalt der Industrien toben. Dabei entstehen Aufnahmen von ikonischem Wert, etwa während des Solidaritätsfests „Rheinhausen ist überall“ oder beim Eierwurf auf den damaligen Vorstandsvorsitzenden der Krupp Stahl AG. Ob Arbeitskämpfe, Arbeitsplatzdokumentation oder Gastarbeiterreportage – gerade diese Aufnahmen aus dem Ruhrgebiet sind es, die sein Werk wohl am meisten prägen.
Zudem dokumentieren seine Bilder seinen kompromisslosen Umstieg von analoger zu digitaler Fotografie: Im Jahr 2002 kommt es zu einem tiefen Einschnitt in seiner Arbeit, als Manfred Vollmer konsequent auf Digitalfotografie umstellt. Er entwickelt seinen fotografischen Blick weiter, er wird künstlerischer und weniger dokumentarisch.
Der Bildband stellt in zwei ausführlichen Essays von Christine Vogt und Stefanie Grebe das Schaffen von Manfred Vollmer dar und ordnet den Wirklichkeitsbezug und das politische Anliegen in seinem fotografischen Werk ein. Der Katalog umfasst 31 farbige und 61 Schwarz-Weiß-Abbildungen. In der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen können Besucher:innen noch bis zum 15.5.2022 die Ausstellung besichtigen.
Der Bildband: „Ausgelöst – Fotografien von 1968 bis heute“ von Manfred Vollmer
Manfred Vollmer – ausgelöst.
Fotografien von 1968 bis heute
Herausgegeben von Christine Vogt
Kerber Verlag
128 Seiten, 29,80 Euro
ISBN 978-3-7356-0842-0
https://www.kerberverlag.com/de/1980/manfred-vollmer
Die Ausstellung:
„Manfred Vollmer – ausgelöst. Fotografien von 1968 bis heute“ in der Ludwiggalerie Schloss Oberhausen
Von 6. Februar bis 15. Mai 2022
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 11:00 – 18:00 Uhr; Mo. geschlossen
Ludwiggalerie Schloss Oberhausen, Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen
https://www.ludwiggalerie.de/de/ausstellungen/aktuell/