Walter Schels gehört zu den Fotografen, die man kennen muss. Wir hatten die Ehre, mit dem weltberühmten Porträtisten über seine ersten Schritte in die Fotografie zu sprechen. Seine erste Kamera war eine Leica 1f, die bis heute funktioniert.
Walter Schels gehört zu den großen Porträtisten dieser Welt. Der in Hamburg lebende Fotograf, Jahrgang 1936, hat während seiner einmaligen Karriere viele Motivbereiche abgebildet. Mit am beeindruckendsten sind seine Menschenbilder, die das Leben bis zum Tod in ergreifender Weise dokumentiert haben. Bei seinen Porträtstudien löst Schels die Figur aus ihrem Lebensraum und konzentriert sich auf den Körper sowie die Mimik der Porträtierten. Wir sind mit ihm zu seinen Anfängen zurückgegangen, Anfang der 1950er-Jahre, als mit dem Kauf einer Leica eine einzigartige Laufbahn begann.
Die wichtigsten fotografischen Meilensteine bis dato …
Geburt und Tod. Ab 1975 fotografierte ich über viele Jahre für die Zeitschrift „Eltern“ Reportagen über Geburten. Seit ich die wenige Augenblicke alten Kinder porträtierte, hat mich die Beschäftigung mit Gesichtern nicht mehr losgelassen. Fast 30 Jahre später arbeitete ich zusammen mit meiner Frau Beate Lakotta fast zwei Jahre in Hospizen an einer Porträtserie von Menschen vor und nach dem Tod. Beides waren Schlüsselerfahrungen.
Meine erste Kamera war …
Eine Leica 1f.
Woher hatten Sie Ihre erste Kamera?
Ich war noch in der Lehrzeit als Schaufensterdekorateur und verdiente 30 Mark im Monat. Bei FOTOMA in Landshut lag im Schaufenster eine gebrauchte Kamera für fünfzig D-Mark. Ich dachte, das könnte ich mir gerade so leisten. Aber im Geschäft präsentierte mir der Verkäufer dann mit weißen Handschuhen die Leica: glitzerndes Chrom, aufbewahrt in einer roten Samtbox. Sie kostete 300 D-Mark, fast ein Jahreslohn. Es war damals die einzige professionelle Kleinbildkamera. Ich habe sie heute noch. Die Samtbox ist ein bisschen mitgenommen, die Leica funktioniert noch tadellos.
Können Sie sich auch an Ihre ersten Bilder erinnern? Was waren damals Ihre Lieblingsmotive?
Eines meiner ersten Fotos von Anfang der 50er-Jahre zeigt, wie Sonnenstrahlen im Wald durch die Bäume brechen. 1957 ging ich als Dekorateur nach Barcelona. Dort fotografierte ich mit der Leica jeden Sonntag im Hafen. Die Filme entwickelte ich damals selbst, aber ich hatte noch nicht genug Erfahrung, und bei einigen Filmen zersetzte sich die Emulsion. Diese kaputten Filme entdeckte ich in den 70er-Jahren neu und vergrößerte sie. Bis heute eine meiner Lieblingsserien. www.walterschels.com/ portfolios/transformation/album/9
Wie lange haben Sie mit der ersten Kamera fotografiert?
1966 ging ich nach New York, um Fotograf zu werden. Nur wie? Ich lief durch die Stadt, auf der Suche nach einer Assistentenstelle, ein Amateur mit einer Leica um den Hals. Ich hatte nichts vorzuweisen. Wenn ich mir heute die Bilder von damals anschaue, bin ich überrascht, wie gut sie sind. Erst als ich 1970 ein Studio in München eröffnete, kaufte ich mir eine Nikon.
Hat Ihre erste Kamera ihr späteres Schaffen geprägt?
Sie hat mich jahrelang begleitet, bis ich Berufsfotograf wurde.
Wer waren damals und heute Ihre Vorbilder?
Damals: Richard Avedon, Irving Penn, Hiro. In Deutschland: Regina Relang und F.C. Gundlach. Ich wollte Modefotograf werden. Heute: Sebastião Salgado.
Was konnte Ihre erste Kamera, was die aktuelle Kamera nicht kann?
Die Leica 1f hatte einen Aufstecksucher, mit dem man um die Ecke schauen konnte. Ich habe damit zum Beispiel in Mexico auf dem Markt heimlich Menschen fotografiert – wurde dabei aber erwischt und verjagt.
Gibt es noch eine Anekdote zu Ihrer ersten Kamera?
In Kanada wollte ich einen Bison auf der Wiese porträtieren. Ich hatte keine Ahnung, wie gefährlich das war und robbte mich möglichst nah heran. Plötzlich rannte der Bison auf mich zu. Mit einem Sprung rettete ich mich hinter einen Baum, die Kamera flog mit dem Teleobjektiv voraus ins Gras. Ich musste lange warten, bis der Bison weit genug weg war, damit ich meine Leica retten konnte. Das Foto vom Bison gibt es noch: unscharf, aber immerhin!
Meine Leica 1f kostete 300 D-Mark, fast ein Jahreslohn als Schaufensterdekorateur. Sie funktioniert immer noch tadellos.
Walter Schels, Fotograf
ÜBER WALTER SCHELS
Walter Schels ist 1936 in Landshut geboren. Von 1957 bis 1965 hat er als Schaufensterdekorateur in Barcelona, Kanada und Genf gearbeitet. Anschließend war er als freier Fotograf in New York tätig. 1970 eröffnete er ein eigenes Studio in München. Zu seinen fotografischen Schwerpunkten gehören Werbung und die redaktionelle Fotografie für Magazine wie „Stern“, „Annabelle“, „Eltern“, „Geo“, „SZ-Magazin“, „ZEIT Magazin“. Seit den 90ern konzentriert er sich fast ausschließlich auf freie Arbeiten, Porträts von Tieren und Menschen, Porträtserien und Langzeitprojekte. Walter Schels erhielt zahlreiche Auszeichnungen und war in verschiedene Buchprojekte involviert. Seine Werke wurden in Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt.
Weitere Informationen zu Walter Schels:
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