Beim zweiten PHOTO PRESSE-Expertentalk „KI – Neue Perspektiven?“diskutierten führende Branchenexperten, Fotografen und Bilddienstleister über die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Fotografie. Unter der Moderation von Benjamin Lorenz, Chefredakteur der PHOTO PRESSE, ging es um Chancen, Herausforderungen und ethische Fragen, die sich aus dem Einsatz von KI ergeben.
Die Diskussion offenbarte das Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und traditionellem Handwerk, zwischen Authentizität und kreativer Manipulation. Unterschiedliche Perspektiven aus der Porträtfotografie, der Architekturfotografie und dem Bilderdienst prägten den lebhaften und konstruktiven Austausch.
Teilnehmer des 2. PHOTO PRESSE Expertentalk
Marita Konway: Sprecherin des bpp – bund professioneller portraitfotografen
Caleb Ridgeway: Professioneller Porträtfotograf und Mitglied im bpp
Daniel Attallah: Geschäftsführer von Pixum
Adrian Rohnfelder: Landschafts- und Abenteuerfotograf sowie KI-Experte
Hans Georg Esch: Renommierter Architekturfotograf
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Kreative Möglichkeiten und neue Bildwelten durch KI
Einsatz der KI als kreative Assistenz
Marita Konway und Caleb Ridgeway
Marita Konway eröffnete den Diskurs mit ihrer Sicht auf die Rolle der KI als kreative Unterstützung. „Ich empfinde KI‘s als gewinnbringend. Ich nutze sie als Wissensverstärker und als Assistenz meines Alltags. Als Sprecherin des bpp – bund professioneller portraitfotografen und Fotografin bin ich darauf angewiesen, effizient zu arbeiten, und KI bietet mir die Möglichkeit, sowohl meinen Workflow zu optimieren als auch meine kreative Arbeit zu erweitern,“ erklärte sie. In ihrer Funktion als Sprecherin des bpp hebt sie hervor, dass der Verband aktiv daran arbeitet, eine klare Kommunikationsstrategie für den Umgang mit KI zu etablieren. Es sei aus Sicht des bpp wichtig einen gewissen ethisch-moralisch vertretbaren Wertekanon zu etablieren, den Kreative im Arbeiten mit KI vertreten können.
Für mich stellt die Technologie eine Erweiterung der Möglichkeiten dar, die das kreative Schaffen bereichern kann, wenn sie bewusst eingesetzt wird
Marita Konway
Conway argumentierte, dass KI nicht nur eine technische Entwicklung sei, sondern neue kreative Schaffensräume eröffne. „Für mich stellt die Technologie eine Erweiterung der Möglichkeiten dar, die das kreative Schaffen bereichern kann, wenn sie bewusst eingesetzt wird,“ fügte sie hinzu. Sie erläuterte, wie KI ihr hilft, ihre Aufgaben zu organisieren und gleichzeitig in ihrer kreativen Arbeit Inspiration zu finden. „Es geht darum, durch den Einsatz von KI kreative Barrieren zu durchbrechen.“
Neue Bildwelten schaffen: Die Perspektive der Fotografen
Adrian Rohnfelder
Adrian Rohnfelder, der bekannt ist für seine Landschafts- und Abenteuerfotos und seine mit KI generierten Bilder, nahm eine optimistische Haltung gegenüber der Technologie ein. Für ihn stellt KI einen „neuen Pinsel“ dar, der ihm erlaubt, Welten zu schaffen, die mit traditionellen Mitteln schwer zu realisieren sind. „Ich sehe die KI als kreatives Werkzeug, das mir die Freiheit gibt, das zu visualisieren, was ich mir vorstelle. Für mich ist es ein revolutionäres Mittel, um neue Geschichten zu erzählen.“
Es ist faszinierend zu sehen, wie durch den gezielten Einsatz von KI neue Bildwelten entstehen
Adrian Rohnfelder
Rohnfelder berichtete, dass er intensiv mit KI-Tools wie Midjourney experimentiert, um surrealistische und fiktive Landschaften zu erschaffen. Er fügte hinzu: „Es ist faszinierend zu sehen, wie durch den gezielten Einsatz von KI neue Bildwelten entstehen, die den Betrachter in ihrer Einzigartigkeit anziehen.“ Diese Perspektive zeigte eine deutliche Differenzierung in der Diskussion: Während einige Teilnehmer KI als nützliches Werkzeug betrachteten, äußerten andere Bedenken hinsichtlich der Authentizität von KI-generierten Bildern.
KI als Werkzeug für Workflow-Optimierung und Effizienzsteigerung
Optimierte Kundenkommunikation durch KI
Daniel Attallah, CEO des Online-Fotoservices Pixum
Daniel Attallah, CEO des Online-Fotoservices Pixum, beleuchtete im Rahmen des 2. PHOTO PRESSE-Expertentalks die Effizienzsteigerung durch den Einsatz von KI in der Bildproduktion und -kommunikation. „KI ermöglicht es uns, effizienter zu arbeiten, indem wir – vor allem im Kundenservice – den Kontakt zu unseren Kunden schneller und besser gestalten können,“ erläuterte Attallah. „Wir setzen die Technologie nicht ein, um die Arbeit zu ersetzen, sondern um den Service zu verbessern und den Kunden mehr und bessere Optionen zu bieten undnur, wenn der Kunde uns das erlaubt.“
Wir werden ohne die Erlaubnis des Kunden keine Bilder an generative AI-Prozesse weitergeben, die daraus lernen könnten. Das Vertrauen der Kunden steht für uns an erster Stelle.
Daniel Attallah
Attallah berichtete, dass Pixum durch den Einsatz von KI in der Lage sei, schneller auf Kundenanfragen zu reagieren, und dies in den letzten Jahren zu einer Verbesserung des Kundenerlebnisses geführt habe. Er ging aber auch auf zukünftige Entwicklungen ein und betonte, dass Pixum keine Daten ohne Zustimmung der Kunden an generative Modelle weitergeben werde: „Wir werden ohne die Erlaubnis des Kunden keine Bilder an generative AI-Prozesse weitergeben, die daraus lernen könnten. Das Vertrauen der Kunden steht für uns an erster Stelle.“
Authentizität und ethische Fragen: Die neue Herausforderung
Die Gefahr des Authentizitätsverlustes
Hans Georg Esch
Hans Georg Esch betonte die Wichtigkeit, „die Realität abzubilden und nicht zu manipulieren“. Er kritisierte den zunehmenden Trend, KI für die Erzeugung von Bildern zu nutzen, die in keiner Weise mehr die Realität widerspiegeln. „Für uns als Architekturfotografen ist es wichtig, die Realität zu zeigen. Es geht darum, echte Abbilder zu schaffen und nicht nur schöne Scheinwelten.“
Esch warnt vor einer „Vermischung von realen und künstlichen Bildern“, da dies die Glaubwürdigkeit der Fotografie gefährden könnte. „Was ich an der KI in Bezug auf die Fotografie kritisiere, ist, dass die erstellten Bilder keine Fotografien mehr sind.“ Esch hob hervor, dass die Authentizität ein zentraler Wert der Fotografie sei, der nicht verloren gehen dürfe.
Es geht darum, echte Abbilder zu schaffen und nicht nur schöne Scheinwelten
Hans Georg Esch
Auch Marita Konway zeigte sich besorgt über die wachsende Gefahr von Deepfakes und die Missbrauchsmöglichkeiten der Technologie. „Die Herausforderung besteht darin, dass wir uns der Risiken bewusst werden und aktiv an der Entwicklung ethischer Standards arbeiten.“
Transparenz und Kommunikation als Schlüssel zum Vertrauen
Ehrliche Kommunikation mit Kunden und Nutzern
Caleb Ridgeway
Caleb Ridgeway, der in seinen Porträtprojekten KI aktiv in seiner Fotografie einsetzt, sprach über die Rolle der Transparenz in der Porträtfotografie. „Für mich ist es entscheidend, dass die Menschen wissen, welche Technologie ich einsetze und wie das Bild entstanden ist,“ betonte er. Ridgeway erklärte, dass er offen mit seinen Kunden kommuniziere, um Missverständnisse zu vermeiden. „Es geht darum, Vertrauen aufzubauen, indem man ehrlich ist und den Kunden einbezieht.“
Für mich ist es entscheidend, dass die Menschen wissen, welche Technologie ich einsetze und wie das Bild entstanden ist
Caleb Ridgeway
Auch Daniel Attallah stellte heraus, dass die Transparenz mit KI in der Kundenkommunikation eine zentrale Rolle spiele. „Die Herausforderung besteht darin, den Kunden klar zu machen, was wir tun und warum wir es tun.“ Für ihn sei es entscheidend, dass der Kunde in den Prozess eingebunden werde, um Vertrauen zu schaffen.
Die Herausforderung besteht darin, den Kunden klar zu machen, was wir tun und warum wir es tun
Daniel Attallah
Kreativität versus technologische Dominanz
Der Einfluss von KI auf die kreative Autonomie
Adrian Rohnfelder, Daniel Attallah, Marita Konway (v.l.n.r.)
Adrian Rohnfelder nahm eine optimistische Haltung gegenüber der Technologie ein. „Für mich ist die KI ein Mittel, um neue Welten zu erschaffen und Geschichten zu erzählen, die vorher undenkbar waren.“ Er sieht die generative KI als kreatives Werkzeug, das es ihm erlaubt, komplexe Bildkompositionen zu realisieren – auch im Bereich Bewegtbild. Ein Bereich, der in jüngster Zeit viele Innovationen hervorgebracht hat und das Potenzial der generativen KI eindrucksvoll unterstreicht.
Für mich ist die KI ein Mittel, um neue Welten zu erschaffen
Adrian Rohnfelder
Hans Georg Esch hingegen warnte vor einer zu großen Abhängigkeit von der Technologie: „Es darf nicht sein, dass wir nur noch Bilder erzeugen, die ein Computer für uns zusammenstellt.“ Er mahnte, dass die Fotografie ihre Wurzeln in der Dokumentation und Abbildung der Realität nicht verlieren dürfe.
Es darf nicht sein, dass wir nur noch Bilder erzeugen, die ein Computer für uns zusammenstellt
Hans Georg Esch
Zukunft der Fotografie: Mensch und Maschine in Harmonie?
Die Rolle des Fotografen in einer zunehmend digitalisierten Welt
2. PHOTO PRESSE-Expertentalk
Die konstruktive Diskussion endete mit der Frage nach der Rolle des Fotografen in einer zunehmend von KI geprägten Fotowelt. Marita Konway betonte die Bedeutung der kreativen Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine: „Die Möglichkeit, neue kreative Schaffensfelder zu entdecken, ist ein Mehrwert für die Branche. Die Herausforderung besteht darin, dass wir uns der Risiken bewusst werden und aktiv an der Entwicklung ethischer Standards arbeiten.“
Die Möglichkeit, neue kreative Schaffensfelder zu entdecken, ist ein Mehrwert für die Branche
Marita Konway
Adrian Rohnfelder fügte hinzu: „Es geht darum, die richtigen Werkzeuge zu finden, um Geschichten zu erzählen, die den Betrachter fesseln. Die Technologie ist dabei nur ein Mittel zum Zweck.“ Hans Georg Esch hob hervor, dass der Fotograf eine zentrale Rolle behält, solange die Authentizität gewahrt bleibt. „Die Fotografie hat ihre Wurzeln in der Dokumentation, und wir müssen diese Wurzeln bewahren“, so der Architekturfotograf, in deren Studio die Aufnahme des 2. PHOTO PRESSE-KI-Talks statt gefunden hat.
Die Fotografie hat ihre Wurzeln in der Dokumentation, und wir müssen diese Wurzeln bewahren
Hans Georg Esch
2. PHOTO PRESSE Expertentalk Schlusswort
Die zweite Ausgabe des Runden Tisches zeigte somit deutlich das Spannungsfeld zwischen technologischer Innovation und traditioneller Fotografie auf. Die Teilnehmer waren sich einig, dass Künstliche Intelligenz große Chancen bietet, aber auch ethische Herausforderungen mit sich bringt. Die Diskussion um Authentizität, kreative Freiheit und ethische Verantwortung soll im nächsten PHOTO PRESSE KI-Talk weiter vertieft werden. „Es liegt an uns, die Möglichkeiten der KI verantwortungsvoll zu nutzen“, fasste Benjamin Lorenz den Talk zusammen.
Der studierte Diplom-Fotoingenieur ist unter anderem Chefredakteur von Deutschlands größter Fotozeitschrift CHIP FOTO-VIDEO und Deutschlands traditionsreichster Fotozeitschrift PHOTO PRESSE. Zuvor verantwortete er als stellvertretender Chefredakteur die redaktionelle Umsetzung der monatlich erscheinenden DigitalPHOTO. Darüber hinaus war er Leiter des hauseigenen DigitalPHOTO-Testlabors und Head of Content von digitalphoto.de und der zugehörigen Social Media Kanäle. Weiterhin war er an der HMKW in Köln als Dozent für den Bereich Fotojournalismus tätig und arbeitete als freier Fotograf für diverse Online-Medien im Rheinland.