Marc Peschke gibt eine historische Einführung in die Entwicklung des Fotogramms und spricht mit der Fotokünstlerin Erika Babatz über das Thema.
Die kameralose Fotografie ist seit langer Zeit auch ein Gebiet der Fotokunst: Das Fotogramm, die direkte Belichtung von Film oder Fotopapier, ist eine Erfindung der ganz frühen Fotojahre. Schon William Henry Fox Talbot experimentierte in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts mit der Technik, nannte seine Arbeiten „Photogenic Drawings“ und darf heute mit Recht als ein Erfinder des Fotogramms bezeichnet werden. Doch schon bald entdeckten auch andere die direkte Belichtung von lichtempfindlichen Materialien im Kontaktverfahren: Hippolyte Bayard etwa, der französische Fotopionier, der, wie Henry Fox Talbot, ebenfalls Fotogramme von Pflanzen herstellte. Ihm folgten Mathew Carey Lea oder Anna Atkins – und alle verfolgten ein ähnliches Ziel: eine dokumentarische, möglichst exakte und feingliedrige Darstellung.
Das änderte sich erst im frühen 20. Jahrhundert, als die künstlerische Avantgarde das Diktat der Abbildhaftigkeit zu sprengen suchte. Künstler wie Christian Schad mit seinen „Schadographien“ oder vor allem auch Man Ray – der seine Fotogramme „Rayographs“ nannte – waren Avantgardisten: Sie arbeiteten nicht dokumentarisch, sondern experimentell. Und es folgten viele: László Moholy-Nagy, der sich als wichtigster Theoretiker des Fotogramms in die Fotogeschichte eingeschrieben hat, El Lissitzky, Jaroslav Rössler, Raoul Hausmann oder Marta Hoepffner … und viele mehr.
In dieser experimentellen, subjektiven Tradition arbeiteten einige Künstler noch nach dem zweiten Weltkrieg mit Fotogrammen – wie etwa Otto Steinert, Heinz Hajek-Halke, Chargesheimer, Lotte Jacobi, René Mächler oder Floris Michael Neusüss, der seit 1963 großformatige Körperfotogramme herstellte, die er „Nudogramme“ nannte. Neusüss gab sein Wissen um das Fotogramm als Professor in Kassel wiederum an seine Schüler wie Thomas Bachler, Natalie Ital und Tim Otto Roth weiter.
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