Ahoi, Kreuzfahrtschiff! Steche gemeinsam mit Peoplefotograf Benjamin Wohlert in See, und erfahre, welche Herausforderungen und Highlights angestellte Fotografinnen und Fotografen an Bord eines Passagierschiffes – und auf den Ausflügen an Land – erwarten.
Als Fotograf auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten – eine spontane Idee, die Benjamin Wohlert kurzerhand in die Realität umsetzte. Im Interview erzählt der 28-Jährige von seiner dreimonatigen Reise als Bordfotograf: wie seine Aufgaben „zu Schiff“ und zu Land aussahen, was ihn besonders herausforderte und begeisterte.
Benjamin, erzähl uns doch ganz kurz von dir: Wie bist du zur Fotografie gekommen? Was ist dein Spezialgebiet?
Ich fotografiere schon seit über 14 Jahren, also mein halbes Leben lang. Zur Personenfotografie bin ich über eine Kommilitonin im Studium gekommen. Sie modelte hobbymäßig und hat mich mal mit auf ein Shooting genommen, weil ich neugierig war. So kam eins zum anderen. Mein erstes eigenes Porträtshooting hatte ich dann im Jahr 2016. Vor ein paar Jahren begann ich, mich auch für Hochzeiten und Paarfotos zu interessieren. Heute sind Porträts und natürliche Hochzeitsreportagen meine beiden Standbeine, wobei ich laufend neue fotografische Bereiche entdecke, die ich spannend finde und in denen ich mich weiterentwickeln möchte.
Anfang des Jahres hast du drei Monate als Bordfotograf auf einem Kreuzfahrtschiff gearbeitet: Wie kam es dazu?
Während meiner Porträtshootings ist es mir grundsätzlich wichtig, viel mit den Menschen vor meiner Kamera zu reden – und erfahre dadurch eben auch viel über meine Models. An einem Shootingtag lernte ich Julia kennen, die mal auf einem Schiff gearbeitet hat, und wir kamen auf die Idee, dass ich das ja auch machen könnte – aber natürlich als Fotograf. Bis dahin hatte ich diese Möglichkeit überhaupt nicht auf dem Schirm. Nach meiner Bewerbung bei einem Drittunternehmen, das für Foto- und Video-Dienstleistungen auf vielen Schiffen zuständig ist, bekam ich eine kleine Bewerbungsaufgabe: Ich sollte fremde Menschen in der Stadt ansprechen, sie fotografieren und aus den Bildern eine Collage erstellen. Darauf folgte ein Zoom Call zum lockeren Kennenlerngespräch, und schon war die Sache klar: Vom 6. Januar bis 9. April 2022 ging es für mich als Bordfotograf aufs Kreuzfahrtschiff.
Wie sieht ein klassischer Tag als Kreuzfahrtschiff-Fotograf aus? Welche Aufgaben standen auf deiner To-do-Liste?
Ich würde hier grundsätzlich zwischen Seetagen und Tagen an Land unterscheiden. Seetage sind etwas entspannter, was das Arbeitspensum betrifft, da hatte ich meistens eine relativ lange Mittagspause. Viel mehr ist zu tun, wenn eine Hochzeit fotografiert wird, was ich glücklicherweise auch mehrmals tun durfte – Videos davon finden sich über den hier gezeigten QR-Code.
Über den Tag verteilt gibt es an Bord unterschiedliche Fotoshooting-Stationen, an denen Gäste sich fotografieren lassen können; besonders abends handelt es sich um feste Sets mit Licht und Hintergrund. Oder man läuft mit ein paar Gästen über das Schiff. Danach geht es an die Bildbearbeitung. Abends zieht man dann zum Beispiel wieder mit der Kamera durch die Bars und spricht gezielt Leute an. Das ist ein wichtiger Part des Jobs: Auf Menschen zugehen und sie motivierend fragen, ob sie nicht ein Foto machen möchten. An Landtagen wird vormittags an der Gangway, der Zugangsrampe zum Schiff, fotografiert. Dabei entstehen Gästefotos vor dem Schiff. Hier haben wir uns im Fototeam abgewechselt. Wenn ich keine „Gangway“ hatte, habe ich Landausflüge begleitet, meist Bustouren, die früh morgens begannen und bis mittags gingen.
Wurde dir eine Ausrüstung gestellt oder hast du deine eigene verwendet?
Ich hatte meine Canon EOS R6, meine „Immerdrauf“-Linse – das Ultraweitwinkel-Zoomobjektiv EF 16–35 mm f/4 L IS USM – sowie das Telezoomobjektiv EF 70–200 mm f/2,8L IS II USM dabei. Das Blitzequipment sowie Softboxen wurden aber gestellt. Zudem habe ich mir von einem Kollegen an Bord öfters ein 50-mm-Objektiv geliehen. Für freie Porträtprojekte hatte ich außerdem das EF 100 mm L 2,8 Macro eingepackt.
Wie sah die Reiseroute aus?
Insgesamt habe ich elf Inseln gesehen: die zwei Kapverdischen Inseln Sao Vicente und Santiago, die zwei Inseln Terceira und Sao Miguel aus der Azorengruppe sowie Madeira. Außerdem waren zu meiner Zeit an Bord die Kanaren Schwerpunkt der Reisen. Dort habe ich neben Teneriffa auch La Palma, La Gomera, Fuerteventura, Lanzarote und Gran Canaria besucht. In der Zeit, in der ich auf dem Schiff war, dauerte jede „Cruise“ eine Woche lang und startete von Teneriffa aus. Dementsprechend hatte ich am häufigsten auf Teneriffa die Gelegenheit, freie Projekte wie das Porträtshooting mit Carmen am Strand umzusetzen.
Was war für dich besonders herausfordernd an der Arbeit als Bordfotograf?
Aufgrund von wenig Platz auf dem Schiff musste ich viel mit dem Weitwinkel arbeiten. Das war sehr ungewohnt für mich als Porträtfotograf. Hier musste ich oft Kompromisse eingehen. Es war zum Beispiel nicht immer einfach beziehungsweise möglich, sowohl eine gute Perspektive zu finden als auch den gewünschten Hintergrund, aber keine anderen Gäste im Bild zu haben. Zudem war der Zeitdruck groß. Oft hatte ich nur eine Minute für ein Paar oder eine Kleingruppe.
Und was war besonders schön?
Aus fotografischer Sicht war das Schönste, wenn Gäste am Ende der Reise ihre Bilder kauften und sich persönlich bei mir bedankten. Zudem war das Fliegen meiner Drohne auf hoher See über dem Atlantik etwas ganz Besonderes für mich. Die Erlaubnis dafür habe ich persönlich vom Kapitän bekommen. Reise- und erlebnistechnisch waren das Schnorcheln mit Schildkröten, die Fahrradtouren und kleine Wanderungen Highlights.
„Aufgrund von wenig Platz auf dem Schiff, musste ich viel mit dem Weitwinkel arbeiten. Das war sehr ungewohnt für mich als Porträtfotograf.“
Fotograf Benjamin Wohlert
Wie hast du deine freie Zeit genutzt?
Man hat wirklich sehr wenig Freizeit an Bord, eine Sieben-Tage-Woche und im Schnitt gute zehn Stunden Arbeit täglich – das sollte man nicht vergessen. Ich wollte aber unbedingt so viele Fotos und Videos wie möglich machen, die ich hinterher auch öffentlich zeigen kann. Bilder von Gästen darf ich natürlich nicht veröffentlichen. Um Modelle dafür zu finden, habe ich in der Crew herumgefragt, wer vielleicht mal vor meiner Kamera stehen würde. Aus meiner Anfangszeit als Porträtfotograf bin ich diese Akquise ja gewohnt. So sind auch die Porträtfotos entstanden, die man hier sieht. Wobei das Paarfoto ein typisches Motiv darstellt, das ich auch hin und wieder ähnlich mit Gästen umgesetzt habe.
Hat dich die Arbeit als Bordfotograf persönlich und beruflich weitergebracht?
Definitiv war es eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte und die mich persönlich hat wachsen lassen. Und in der Schiffsumgebung zu leben, birgt neben den ungewohnten Arbeitsanforderungen noch andere ganz spezielle Herausforderungen, zum Beispiel was das Schlafen angeht: Ich bin über 1,90 Meter groß und mag mein großes Bett zu Hause sehr. Das gab es in meiner winzigen Schiffskabine natürlich nicht.
DER FOTOGRAF
Etwa 2016 wechselten die Prioritäten von Benjamin Wohlert grundlegend und anstatt sich auf sein Maschinenbau-Studium zu konzentrieren, entdeckte er seine Leidenschaft für die Peoplefotografie. Dabei liegt sein Fokus auf Porträts und Hochzeiten.
Weitere Infos zu Benjamin Wohlert findest du auf:
Instagram: @wohlertfotografie
Website: www.wohlertfotografie.de
BUCH-TIPP
Licht, Posing, Kommunikation und mehr: In seinem Buch „Fotografieren im Flow“ gibt Benjamin Wohlert 50 Tipps für die Porträtfotografie.
Preis: 24,98 Euro.
ISBN: 979-8644094370