Werbefotos, die authentisch wirken und eine Geschichte erzählen – das ist der Wunsch vieler Kunden und das Ziel eines jeden Fotojobs, den Sebastian Stiphout – kurz „Stip“ – angeht. Im Interview erzählt der Fotograf von der Umsetzung einer herausfordernden Tourismuskampagne für den Kunden „Österreich Werbung“.
Stip, wie kam es zu diesem Job?
Über die letzten Jahre hinweg habe ich fünf oder sechs verschiedene Kampagnen für die „Österreich Werbung“ – kurz ÖW – umgesetzt. Der erste Kontakt entstand über eine befreundete und freiberufliche Art Direktorin aus Wien. Sie wurde zu einem neuen Pitch für eine umfangreiche Kampagne eingeladen und ist mit mir als Fotograf ins Rennen gegangen. Ihr Konzept mit meinen Bildern haben den Kunden überzeugt.
Wie genau sah der Auftrag aus?
Dieser Job war etwas ungewöhnlich, weil ich parallel zu einem Filmteam arbeiten musste. Bis dahin waren alle Aufträge für ÖW reine Fotoproduktionen. Mittlerweile – und leider – gibt es immer mehr Aufträge, bei denen sich die Kunden überlegen, wie sie Kosten sparen können und trotzdem sowohl Bewegtbildmaterial als auch Fotos aus einem Auftrag erzeugen können. Dann heißt es: Machen wir halt alles auf einmal! So war es bei diesem Shooting auch.
Die ÖW produziert unterschiedlichen Content für die verschiedenen Märkte, in denen Österreich als Tourismus-Destination beworben werden soll. Dieses Shooting wurde für die Zielgruppe „Familien aus Deutschland“ produziert. Es wurde ein Kinospot gedreht, der die erinnerungsreichen Erlebnisse einer Familie im Salzkammergut erzählen sollte. Parallel sollte deckungsgleiches Fotomaterial produziert werden, um die Kampagne auf Kanälen wie Homepage, Social Media, Messen und Magazinen zu vermarkten. Offiziell waren Film und Foto gleichermaßen wichtig, die Kampagne war also zu 50% auf dem Standbein Filmclip und 50% auf dem Standbein Foto aufgebaut. In der Umsetzung sah die Sache aber deutlich anders aus: ein Filmdreh ist viel aufwendiger, was das Equipment und die Personenanzahl betrifft, das Filmteam bestand aus acht Personen, das Fototeam nur aus mir!
Für den zweitägigen Job wurde eine echte Familie aus Stuttgart gecastet. Das war meiner Meinung nach ausschlaggebend für das Ergebnis, denn in der Werbewelt ist der Begriff „Authentizität“ das große Schlagwort. Diese Echtheit wird in den allermeisten Fällen versucht, künstlich zu kreieren, in den seltensten Fällen aber auch erreicht. Diese echte Familie war super und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bilder und der Spot glaubwürdig wirken.
Wie liefen die Shootingtage dann ab?
Es wurde vorab ein Scout beauftragt, passende Locations zu finden, und eine Woche vor Shootingbeginn bin ich zusammen mit dem Regisseur, dem Director of Photography und einer Kundin ins Salzkammergut gefahren, um die wichtigsten Spots vorab „live“ anzuschauen. Meine eigenen Vorbereitungen waren sehr einfach: Ich habe meine Sony-Bodys – Alpha 7R IV und Alpha 7R III – sowie ein 50mm- und 700-200mm-Objektiv in meinen Kamerarucksack von f-stop gepackt und passendes Schuhwerk und bergfeste Klamotten eingepackt. Ich arbeite grundsätzlich gerne „fast and light“, was meiner Meinung nach auch der Grund war, warum ich diesen Auftrag bekommen habe. Die Kunden und die Agentur wussten, dass ich bergerprobt bin, schnell und effizient arbeite, und auch ohne Assistenten mein Ding durchziehen kann.
Die Motive ergaben sich aus dem Filmskript. Das heißt, quasi jede Szene, die gedreht wurde, musste ich auch fotografisch festhalten. Ich bin aber kein Freund von festem Regelwerk und habe immer und überall nach „mehr“ Ausschau gehalten. Im Prinzip bin ich den Auftrag wie eine Reportage angegangen: Ich musste unauffällig, absolut leise und ohne der Filmcrew im Weg zu sein arbeiten. Ich bin gesprungen, gehüpft, gekrochen, habe zum Teil meine Kamera unter dem Arm des Director of Photography hindurch gesteckt, um den Schuss zu bekommen. Zudem habe ich die kurzen Momente zwischen den Takes genutzt und die Familie gefragt, bestimmte Handlungen zu wiederholen oder anders zu machen.
Was war besonders knifflig an dem Job?
Schwierig war die Tatsache, dass das Fotoshooting in der Theorie zwar genauso wichtig war wie der Filmdreh, ich am Set aber quasi ignoriert wurde. Das ist einfach eine unglückliche Situation für alle Kreativen: Die Filmcrew hat einen Auftrag zu erledigen und ich auch. Letztlich sind wir einander im Weg und stehlen uns gegenseitig die knappe Zeit mit den Protagonisten und dem guten Licht. Schuld daran sind die Kunden, die viel erwarten, aber nicht das nötige Budget zur Verfügung stellen wollen. Oder können. Aber auch wir Fotografen und die Filmemacher, die zu solchen Anforderungen „Ja“ sagen, sind mit dafür verantwortlich. Ich muss aber betonen, dass „Österreich Werbung“ ein Kunde ist, der sehr viel Wert auf gute Arbeit legt und dafür auch sehr gut und fair bezahlt. Und es gab eben auch sehr viele Highlights! Wir haben drei Tage im wunderschönen Salzkammergut verbracht, ich wurde für etwas bezahlt, das ich liebe und konnte mich, trotz der widrigen Umstände, kreativ austoben und schöne Bilder einfangen. Mit der Familie bin ich heute noch befreundet.
DER FOTOGRAF
Sebastian Stiphout, den alle als „Stip“ kennen, entdeckte erst 2008 das Fotografieren für sich. Der alleinerziehende Vater hat sein Studium der Politikwissenschaften in Portland, Oregon, absolviert und lebt mit seinem Sohn in München – davor in Südafrika, Holland, den USA und Deutschland. Neben nationalen und internationalen Werbekampagnen für Kunden wie Columbia Sportswear, ADAC, Naturland und anderen Marken fotografiert Stip leidenschaftlich gerne Editorials. Dabei ist er spezialisiert auf die Themen Lifestyle und People, arbeitet gerne ohne viel Equipment und sucht mit seiner Kamera nach den kleinen, ehrlichen Momenten.