Hoch über den Wolken mit Blick auf spektakuläre Flugszenerien und Landschaften: Für den Kunden Lufthansa wagte sich Jens Görlich in schwindelerregende Höhen. Im Interview erzählt der Profifotograf, wie er mithilfe von außergewöhnlichen Perspektiven und Computer-Generated Imagery – kurz CGI – effektvolle Motive mit gerenderten Flugzeugen kreierte.
Jens, wie kam es zu diesem Fotojob?
Es bestand schon Jahre vor diesem CGI-Auftrag ein sehr gutes Geschäftsverhältnis mit Lufthansa, ich habe viele herkömmliche Shootings für diesen Kunden realisiert. Ursprünglich entstand der Kontakt durch regelmäßige redaktionelle Arbeiten für das Lufthansa-Magazin.
Wie genau sah der Auftrag aus?
Der Wunsch des Kunden war, spektakuläre Aufnahmen von seinen Flugzeugen zu bekommen – zum Teil von Flugzeugtypen, die noch gar nicht im realen Flugbetrieb integriert waren, da diese in manchen Fällen noch in der Entwicklungsphase steckten. Ich hatte die Vorstellung, dass es besonders interessant sein könnte, Flugsituationen aus Winkeln zu zeigen, die mit herkömmlichen Methoden so nicht umsetzbar gewesen wären, wie zum Beispiel mit der Kamera sehr nah am Flieger zu sein.
Und wie wurde die Idee dann umgesetzt?
Das ist in der Tat ein sehr komplexes Thema. Wie man zum Beispiel bei dem Motiv oben rechts erkennen kann, handelt es sich bei der Stadt im Bild um New York City. Wir haben im Vorfeld recherchiert, welches Flugmuster (Flugzeugmodell) welche Städte anfliegt, damit unsere Bilder möglichst – auch unter Insidern – realistische Situationen zeigen würden. Wir haben dann in den infrage kommenden Städten, im konkreten Fall also in New York, Hubschrauberflüge gechartert, um an interessanten Stellen die Hintergrundfotos zu machen, in die danach die CGI-Modelle hineingerendert werden sollten.
Dabei ist es wichtig, dass man schon beim Fotografieren eine gute Vorstellung davon hat, an welcher Stelle sich nachher das gerenderte Flugzeug befinden soll. Man muss bei der Bildgestaltung schon vor Augen haben, wie es nachher aussehen wird. Sehr dienlich ist es dabei, wenn man vorher schon eine Ahnung hat, welche Brennweite dem jeweiligen Flugzeug „guttut“. Das kann sehr unterschiedlich sein, und ungleiche Brennweiten miteinander zu kombinieren, ist keine gute Idee. Das menschliche Auge nimmt solche Fehler wahr.
Die Flugzeuge sind also alle komplett gerendert? Wie sieht es mit den Hintergründen aus?
Ja, in den gezeigten Bildbeispielen sind alle Flugzeuge gerendert. Die Landschaften und Städte wiederum sind „echt“ und tatsächlich alle im Flug entstanden – größtenteils aus Helikoptern, manche auch aus Flugzeugen.
Was gilt es, besonders zu beachten, um ein täuschend echtes Bildergebnis zu erhalten?
Wichtig ist beim Aufsetzen des Renderings – also dem computergenerierten 3-D-Modell –, die Lichtstimmung des Hintergrundfotos zu beachten und möglichst akkurat nachzustellen. Ebenso sollte sich die Umgebung im Lack des Flugzeugs einspiegeln. Das mache ich übrigens in Zusammenarbeit mit Marcin Gruszczyk, einem absoluten Spezialisten in Sachen CGI. Um die fotorealistischen Grafiken zu erzeugen, nutzt er Programme wie 3ds Max, Corona Renderer und Terragen. Das Know-how, das benötigt wird, um Software wie diese sinnvoll zu bedienen, ist unglaublich umfangreich und übersteigt meine Fähigkeiten bei Weitem.
Welche Ausrüstung kam zum Einsatz?
Die Kameras, die ich benutzt habe, waren jeweils die aktuellsten, größten Profi-SLRs von Canon mit den qualitativ besten Zooms. Wichtig war mir eine möglichst hohe Auflösung und eine hohe Geschwindigkeit: In sich bewegenden Flugapparaten unter verschiedensten Wetterbedingungen ist es von Vorteil, wenn man schnell reagieren kann. Wir haben von unseren Flügen immer eine große Anzahl verwertbarer Motive mitgebracht.
Was war besonders herausfordernd?
Knifflig ist eigentlich alles – von der Wahl der Flugroute bis hin zu den Wetterbedingungen. Es kann sehr kalt werden im offenen Helikopter. Bei einem Flug im Winter in New York war es so kalt, dass selbst Monate nach dem Shooting mein „Auslösefinger“ immer noch taub war. Bei den CGI-Flugzeugmodellen ist es zudem besonders schwierig, den richtigen Grad an Detailtreue zu erreichen, ohne in die allerletzten Feinheiten zu gehen. Aber genau diese Herausforderungen zu meistern und überzeugende Motive zu erschaffen, macht dann auch den größten Spaß!
DER FOTOGRAF
Der Fokus von Werbe- und Reportagefotograf Jens Görlich (*1967) liegt auf der Transport-, People-, Editorial- und Landschaftsfotografie. Nach einem Studium der Amerikanistik entdeckte der Frankfurter seine Leidenschaft für die Fotografie auf mehreren Reisen durch die USA.
Darauf folgten freie Assistenzen – unter anderem bei Clive Davis, Michael Ehrhart, Jan Michael und James Robinson – sowie eigene Foto- und große Reiseprojekte mit Georg Fischer. Seit 1996 ist Jens Görlich selbstständig und arbeitet weltweit für Kunden wie Porsche, Sony Music und viele mehr. Er ist Mitglied beim BFF „Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter“.
www.jens-goerlich.de