Der Female Photoclub, Freelens und der DJV Nord haben sich in einer Erhebung insgesamt 928 Titelausgaben von 72 Magazinen angesehen und untersucht, wie hoch 2022 der Anteil von Fotografinnen und Illustratorinnen bei der Covergestaltung gegenüber ihren männlichen Kollegen ausfiel. Für einen repräsentativen Querschnitt wurden Magazine der deutschen Zeitschriftenlandschaft aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Gattungen ausgewählt.
Pressemitteilung von FEMALE PHOTOCLUB, FREELENS und DJV Nord
Wer hat 2022 die Titel deutscher Magazine fotografiert oder illustriert?
Eine Auswertung der Titelbilder von 72 Magazinen nach Geschlecht
In der deutschen Medienlandschaft sind Fotografinnen und Illustratorinnen auch im Jahr 2022 noch stark unterrepräsentiert, insbesondere in der Gestaltung von Magazincovern. Diese unterliegt in den meisten Fällen den männlichen Kollegen, wie eine Erhebung des FEMALE PHOTOCLUB, FREELENS und dem DJV Nord ergeben hat.
Untersucht wurden 72 Magazine, inklusive einiger Sonderausgaben, die im Jahr 2022 insgesamt 928 Titelausgaben veröffentlicht haben. Davon lag der Anteil der von Fotografinnen und Illustratorinnen gestalteten Cover bei nur 25 Prozent, der der männlichen Kollegen hingegen bei 54 Prozent. Die übrigen 21 Prozent entfallen auf gemischte Teams, nicht genau zuordenbare Credits oder Agenturcredits ohne Nennung von Urheber:innen.
Im Vergleich zu der im Jahr 2019 durchgeführten Erhebung durch Datenteams von DER SPIEGEL und dem DJV Hamburg lassen sich durchaus positive Entwicklungen erkennen: Damals lag der Anteil der Fotografinnen und Illustratorinnen noch bei 14 Prozent und der der männlichen Kollegen bei 63 Prozent. Dennoch muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Daten von 2019 aufgrund der geringeren Anzahl und unterschiedlichen Magazintitel nur bedingt mit den Daten von 2022 vergleichen lassen. Die Auswertung zeigt lediglich Tendenzen und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Um einen repräsentativen Querschnitt der deutschen Zeitschriftenlandschaft zu erhalten, haben FEMALE PHOTOCLUB, FREELENS und der DJV Nord Magazine aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Gattungen ausgewählt. Diese wurden dann in die Kategorien Food & Health, Fotografie, Kunst | Kultur | Design, Lifestyle & Fashion, Reportage & Travel, Special Interest, Sport, Unterhaltung, Zeitgeschehen & Wirtschaft sowie Corporate Magazine eingeteilt. An der Erhebung der Magazindaten waren insgesamt neun Personen an verschiedenen Standorten in Deutschland beteiligt. Erfasst wurden die jeweiligen Credits der Cover, welche angeben, von wem das Foto oder die Illustration auf der Titelseite stammt. Gab es mehrere Urheber:innen, so wurden diese einzeln gezählt.
Jeder Credit wurde dann einer der folgenden Kategorien zugeordnet:
• Frauen: Im Credit wurde eine Frau genannt (inkludiert non-binäre Personen).
• Frauen-Männer-Teams: Im Credit wurde ein Team aus einer Frau und einem Mann genannt, die an der Erstellung des Covers gemeinsam beteiligt waren.
• Männer: Im Credit wurde ein Mann genannt.
• Unbekannt: Im Credit wurde keine eindeutig zuordenbare Person benannt, sondern z.B. nur eine Fotoagentur, das Magazin selbst oder ein Künstler:innenname. Auch die Fälle ohne jede Angabe eines Cover-Credits sind in dieser Kategorie enthalten.
Von den insgesamt 928 ausgewerteten Magazintiteln wurden 1077 Credits erfasst, da diese teilweise auch aus Kombinationen mehrerer Fotografien und Illustrationen sowie aus Fotograf:innen- und Illustrator:innen-Teams bestanden. Die Auswertung wurde juristisch vom DJV Nord begleitet.
Weitere Infos unter:
freelens.com
Stimmen aus der Branche
Marina Friedt, Vorsitzende des DJV Nord:
Die Zahl der Cover, die ganz oder teilweise von Frauen fotografiert worden sind, hat sich binnen drei Jahren fast verdoppelt, jedes vierte Titelfoto stammt von einer Frau. Diese Entwicklung geht in die richtige Richtung, und sie muss weitergehen! Publizistische Vielfalt entsteht nur durch unterschiedliche Sichtweisen, auch oder besonders, wenn es um Bilder geht. Gerade bei den Nachrichtenmagazinen besteht Nachholbedarf, dort tauchen fast nur männliche Kollegen in den Credits auf.
Diese Auswertung wirft den Fokus aber auch auf eine weitere Problematik. Es besteht laut §13 des Urheberrechtsgesetz das Recht auf Namensnennung, doch viel zu oft werden die Urheberinnen und Urheber im Credit nicht genannt und sind somit unsichtbar. Darauf weist der DJV mit der jährlichen Aktion „Fotografinnen und Fotografen haben Namen“ hin. Die korrekten Credits zu schreiben und die Urheberinnen und Urheber zu nennen, zollt von Anerkennung gegenüber der Arbeit, insbesondere auf dem Cover, das das Magazin verkaufen muss. Das Lesen der Credits kann auch andere inspirieren und motivieren nach vorne zu treten. Großer Dank an das Team, das diese Auswertung gemacht hat!
Heike Ollertz, Geschäftsführerin des Berufsverbandes FREELENS e.V.:
Unsere Erhebungen zeigen, dass Fotojournalistinnen und Fotografinnen in Auftragsproduktionen und in den Bildagenturen nach wie vor unterrepräsentiert sind. Auch wenn sich der Anteil der Frauen seit 2019 etwas erhöht hat, sind wir weit davon entfernt, hier von Geschlechter- parität sprechen zu können.
Die Ungleichheit beginnt schon in den Agenturen, wo Fotografinnen immer noch zu wenig vertreten sind. Als wir vor drei Jahren die Agentur Focus in ein Kollektiv umgewandelt haben, war ich die einzige Frau unter den Gesellschaftern und eine der wenigen Frauen in der Agentur. Seither nehmen wir ausschließlich Frauen auf, und zwar so lange, bis wir den Anteil der Kolleginnen signifikant erhöht haben. Geschlechtergleichheit ist eine bewusste Entscheidung. Der Frauenanteil bei den Studierenden der Fotografiestudiengänge ist heute oft ausgeglichen. In den Bildredaktionen arbeiten mittlerweile genauso viele Frauen wie Männer. Dass Frauen unter extremeren Arbeitsbedingungen genauso leistungsfähig sind wie Männer, zeigt einmal mehr die aktuelle Ausstellung von Esther Horvath in der FREELENS Galerie. Die Gründe liegen also eher an den Stereotypen in den Köpfen der Entscheider:innen.
Bedenklich ist die Tatsache, dass 19% der Credits gar keine Urheberschaft ausweisen oder lediglich die Agentur genannt wurde. Urheber:innen haben einen Namen und wollen genannt werden.
Verbandsstatement des FEMALE PHOTOCLUB:
Wir freuen uns über die positive Tendenz drei Jahre nach der ersten Auswertung. Sie bestätigt unser Gefühl, dass in den Redaktionen deutscher Magazine, aber auch gesamtgesellschaftlich, ein größeres Bewusstsein für die Ungleichbehandlung aufgrund der Geschlechter geschaffen wurde. Jedoch ist diese Entwicklung ein Prozess und die Ergebnisse der Auswertung von 2022 zeigen auch, dass wir noch lange nicht am Ziel von realer Gleichberechtigung angekommen sind. Parität, so wie sie bspw. beim ZEITmagazin gelebt wird, gibt es in der Magazinwelt immer noch sehr selten. Allzu oft scheinen die Redaktionen noch in geschlechterspezifische Klischees zu verfallen und lassen Frauen Yoga und Männer rohes Fleisch fotografieren. Doch Gender- diversität in der Fotografie sollte nicht nur in eine Richtung gehen. Männer dürfen ebenso vermeintliche Frauenthemen fotografieren und umgekehrt. Hier gilt es, immer wieder die eigenen Denkweisen und Muster zu hinterfragen. Erst dann kann es gelingen, neue Sichtweisen zu schaffen und echte Diversität zu leben. Und diese betrifft keineswegs nur das Geschlecht der Urheber:innen. Schauen wir uns die Titel deutscher Magazine an, so lachen uns zumeist weiße, schlanke, normschöne, nicht behinderte Cis-Personen an.
Wir wünschen uns, dass die Redaktionen zukünftig auch bei den auf Covern abgebildeten Personen mutiger und vielfältiger werden. Diversität in allen Bereichen unseres Lebens ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Lasst sie uns auch auf die Titel der Magazine bringen!