Der f³ – freiraum für fotografie widmet sich in seiner jüngsten Ausstellung den Frauen in Osteuropa und ihrem Leben zwischen Tradition und aktueller Situation. In „Frauen in Bewegung“, die ab dem 9. September 2022 zu sehen ist, werden die Werke von neun Fotografinnen gezeigt.
Femen in der Ukraine, Pussy Riot in Russland, die Frauenmärsche 2020 in Belarus und die Kämpfe gegen den Abtreibungsparagraphen in Polen: Es passiert etwas in Osteuropa. Seit Jahren machen Frauen mit politischen Protesten und öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf sich aufmerksam. Sie werden international als politische Akteurinnen wahrgenommen und durchbrechen öffentlich die traditionellen Klischees von der Frau als Arbeiterin, Mutter oder Sexobjekt.
Frauen in Osteuropa haben eine eigene Sozialisationsgeschichte hinter sich: Mehr als 40 Jahre lang galten sie im Kommunismus als gleichberechtigt – doch meist kam zur Erwerbsarbeit noch die alleinige Verantwortung für Hausarbeit und Kindererziehung hinzu. Stark ausgeprägte Geschlechterrollen im Alltag scheinen unvereinbar zu sein mit dem Selbstverständnis einer neuen Generation von Frauen. Die Stereotype geraten heute ins Wanken oder zumindest in Bewegung. Wie sehen diese Frauen sich selbst? Wie sehen wir sie?
Differenzierter Blick auf Osteuropa
Neun Fotografinnen werfen in „Frauen in Bewegung“ einen differenzierten Blick auf die aktuelle Situation und das historische Erbe von Frauen in Osteuropa: Belarus hat eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt, doch Abtreibungen sind weiterhin tabuisiert. Tatsiana Tkachova traf Frauen, die abgetrieben haben; sie erzählen von Gewalt in der Ehe, von Missbrauch, Angst und finanziellen Schwierigkeiten.
In Polen gehen Tausende gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes auf die Straße. Agata Szymanska-Medina untersuchte die errodierende Situation von Rechtstaatlichkeit in Polen sowie die Repressionen gegenüber kritischen Richter:innen. Violetta Savchits dokumentierte den Widerstand der Frauen gegen die gefälschten Präsidentenwahl in Belarus im Jahr 2020, bevor dieser zum Schweigen gebracht wurde.
Von Femen und Großmüttern
Kritisiert, gefoltert und verfolgt, dies ist auch ein Teil der Geschichte der in Kiew gegründeten Gruppe Femen. Justyna Mielnikiewicz porträtierte die Frauenrechtlerinnen, die seit mehr als einem Jahrzehnt unbekleidet für die Rechte der Frau demonstrieren. Fotografien der ukrainischen Künstlerin Elena Subach setzen sich mit der Generation der Großmütter auseinander. Ihre Bilder von Frauen mit Handtaschen und traditionellen Kopftüchern regen eine Reflexion über die Kluft zwischen den Generationen an.
In einer Kollaboration zwischen der Künstlerin Alicja Rogalska und dem ungarischen Frauenchor von Kartal entstand die Videoarbeit News Medley. Sie kombiniert traditionelle Volksweisen mit zeitgenössischen Texten. Natalia Kepesz beschäftigt sich mit kollektiven Erinnerungen und deren visueller Umsetzung: Ihre Großmutter lief von zu Hause weg, um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen. 1945 schickte sie ein Foto von der Front. Auf der Rückseite schrieb sie: „Let this dead photograph reminds you of me alive.“
Maria Kapajevas Videoarbeit dekonstruiert den sowjetischen Propagandafilm The Shining Path (Aleksandrov, 1940). Im aktuellen russischen Angriffskrieg richtet sich die internationale Aufmerksamkeit auf die Heimat von Oksana Parafeniuk, die Ukraine. Ihre Fotografien erzählen vom Leben zwischen Krieg und Alltag.
„Frauen in Bewegung –
Osteuropa zwischen Tradition und Aktion“
Vom 9. September bis zum 6. November 2022
Öffnungszeiten: Mi – So, 13 – 19 Uhr
f³ – freiraum für fotografie, Waldemarstraße 17, 10179 Berlin
www.fhochdrei.org