Am 19. Mai 2022 stellen die Lübecker Museen das Holstentor auf den Kopf: Dann wird der Künstler Martin Streit die größte Camera obscura Europas vor dem Lübecker Holstentor aufbauen. Mit seiner begehbaren Lichtkamera macht er Bauwerke und Wahrzeichen neu erlebbar.
Das Holstentor ist nach dem Kölner Dom die zweite Station des Künstlers Martin Streit. Mit seiner begehbaren Camera obscura bietet er den Besucher:innen einen neuen Blick auf große Bauwerke und Wahrzeichen. Seine einzigartige Lichtkammer ist 13,6 Meter lang, 2,40 Meter breit und 5,20 Meter hoch. Sie wiegt 13 Tonnen und macht es möglich, Landschaften, Bauwerke und Menschen – allesamt und in Echtzeit – auf den Kopf zu stellen.
Das Holstentor in Lübeck ist der Foto-Hotspot schlechthin: wohl kaum ein Motiv wurde und wird in der Stadt so oft fotografiert wie das monumentale Bauwerk. Für Tourist:innen gehört ein Foto des berühmten Wahrzeichens unbedingt zur Reise dazu. Dabei haben es sich viele vielleicht anders vorgestellt: Höher oder so gerade und exakt gebaut, wie es einst auf dem 50-DM-Schein abgebildet war. In Wirklichkeit ist es recht dick und schief, was es sympathisch unperfekt macht. Und es ist das Herz von Lübeck.
Neuer Blick mittels Verfremdung
Aber wer schaut es sich schon richtig bewusst an und lässt es auf sich wirken? Verfremdungen helfen dabei, sie sind immer ein probates Mittel, Dinge neu zu sehen und zu erleben. Diese Chance bietet sich mit der begehbaren Camera obscura des Kölner Künstlers Martin Streit. Die Außenwelt im Inneren – durch die optische Technik kopfüber – aufscheinen und wie ein gemaltes Bild entstehen zu lassen, hat sich der Kölner Künstler Martin Streit mit seinem außergewöhnlichen Projekt „Lichtkammer“ vorgenommen.
So wird das Holstentor in eine poetische Bildsprache transformiert und lehrt uns das Sehen neu, ohne dass sich der Künstler aktiv einbringt. Es dauert drei bis fünf Minuten, die sich unser menschliches Auge an die Dunkelheit des Innenraums gewöhnen muss, während das Abbild immer mehr an Präsenz und Klarheit gewinnt. Hier wird in konzentrierter und fast meditativer Atmosphäre das Sehen selbst und der Bild erzeugende Prozess zum Thema.
Martin Streit verzichtet bewusst auf jegliche Form von Spiegeln oder Linsen. In der Außenwand der begehbaren Installation befindet sich in etwa vier Metern Höhe lediglich ein Loch von zwei bis drei Zentimetern Durchmesser, durch das das Tageslicht in den Innenraum dringt. Je kleiner die Lochblende ist, desto gebündelter sind die Strahlen und schärfer das Abbild.
Neue Werke aus der Camera obscura
Parallel dazu findet im St. Annen-Museum in Lübeck die Sonderausstellung „Das Holstentor steht Kopf“ statt. Gezeigt werden die Arbeiten von Martin Streit, die jüngsten Werke sind in den vergangenen Wochen mit einer tragbaren Camera Obscura speziell für diese Sonderausstellung in Lübeck entstanden. Gewölbe, die zu Sinfonien werden oder solche, deren ornamentales Zusammenspiel gerade in der Unschärfe fasziniert, hat Martin Streit auf seinen Streifzügen durch Lübeck als neues künstlerisches Thema für sich entdeckt. Sie sind mit einer transportablen Camera obscura, die mit einer Digitalkamera verbunden ist, aufgenommen worden.
Bereits zuvor hat der 1964 geborene Kölner Künstler jahrelang mit diesem Medium experimentiert und beeindruckende Bilder geschaffen. Dazu zählen scheinbar flüchtige Momentaufnahmen von Gebäuden, Landschaften, Menschen oder Gegenständen. Sie erhalten durch den sensiblen Umgang mit Motiv, Licht und Farbe eine ganz besondere Aura, die sich kaum in Worte fassen lässt.
Auch in seiner Malerei ist diese bestimmte Atmosphäre ein zentrales Anliegen des Künstlers. In seinen Bildern konzentriert er sich auf ein Motiv und setzt es in einen zeitlosen Kontext. Ausgehend von einer schlichten Form experimentiert Martin Streit mit der Wirkung von Licht und Farbe. Auf den ersten Blick scheinbar leicht zu erfassen, gewinnen die Motive wie in der Fotografie an Vielfalt und Lebendigkeit, je länger sich der Betrachtende mit ihnen auseinandersetzt. Sie werden konkreter und gleichzeitig abstrakter, räumlich und flächig zugleich und spielen mit uns ein variantenreiches Spiel menschlicher Wahrnehmung, das auch die Unschärfe und Flüchtigkeit eines Moments miteinbezieht.
DAS HOLSTENTOR STEHT KOPF
Die Camera obscura von Martin Streit vor dem Holstentor
Vom 21.05.2022 bis 28.08.2022
Öffnungszeiten Holstentor und Camera obscura: täglich 10 –18 Uhr
Museum Holstentor, Holstentorplatz, 23552 Lübeck
www.museum-holstentor.de
Werke von Martin Streit im St. Annen-Museum
Vom 21.05.2022 bis 28.08.2022
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 10 –17 Uhr
St. Annen-Museum, St. Annen-Straße 15, 23552 Lübeck
www.st-annen-museum.de