Das NRW-Forum widmet dem Fotokünstler Matthias Schaller bis zum 22. Mai 2022 die Ausstellung „Porträts“. Schallers Fotografien nehmen nicht den Menschen in den Fokus, sondern seine alltäglichen Umgebungen und Gegenstände. So wird die Abwesenheit zum Grundmotiv in seinem fotografischen Werk. In Düsseldorf zeigt Schaller seine erste umfassende Einzelausstellung, zu sehen sind rund 100 seiner Arbeiten aus verschiedenen Werkreihen.
Spiegelnde Visiere von Astronautenhelmen, menschenleere Ateliers und verlassene Arbeitszimmer im Vatikan: Personen sucht man auf den Bildern des Fotografen Matthias Schaller vergebens. Anstatt die Kamera auf Personen zu richten, widmet Schaller sich ihren alltäglichen Umgebungen und Gegenständen. Er porträtiert Menschen, indem er einen direkten Blick auf sie verwehrt. Für den Betrachtenden ergeben sich so Schlüssellochmomente. Man erwartet stets, die Personen, die in den Räumen arbeiten oder leben, würden gleich wieder im Bild erscheinen. Schaller beherrscht es perfekt, die Abwesenheit als elementares Merkmal seiner Aufnahmen zu inszenieren.
Mit rund 100 Arbeiten unter anderem aus den Serien „Disportraits“, „Die Mühle“, „Lagunenwalzer“ oder „Das Meisterstück“ präsentiert das NRW-Forum die unkonventionellen Porträts des Fotokünstlers, die dessen schrankenlose Neugier gegenüber der Welt, dem Menschen und der Kunst offenbaren. Seine fotografischen Arbeiten, die von der Kunstgeschichte des Mittelalters ebenso inspiriert sind wie von der jüngsten Gegenwart, leben von der Abwesenheit. Sie zieht die Betrachtenden in die Bilder hinein und wirft sie zugleich auf sich selbst zurück.
Es ist Schallers erste umfassende Einzelausstellung in Deutschland und sie führt den Künstler damit nach Düsseldorf zurück: Hier entstand vor rund zwanzig Jahren der nun erstmalig ausgestellte Zyklus „Die Mühle“ (2001–2002), in dem er die Wirkungsstätte von Bernd (1931–2007) und Hilla (1934–2015) Becher mit seiner Kamera abtastet. Auf diese Weise schafft er indirekte Porträts zweier der einflussreichsten Künstler:innen Düsseldorfs. In Bildpaaren, innerhalb derer sich die fotografische Perspektive nur gering und doch folgenreich verschiebt, fängt er die Einfachheit der Räumlichkeiten ein, die von Funktionalität geprägt und auf die künstlerische Arbeit ausgerichtet sind.
Auf den Spuren der Farben
Seit 2007 reist Schaller auf der Suche nach Farbpaletten berühmter Maler:innen um die Welt. Die Serie „Das Meisterstück“ (fortlaufend) versammelt großformatige Fotografien solcher Paletten, die er vor weißem Hintergrund isoliert und durch digitale Bearbeitung die Farben zum Leuchten bringt. Die Serie lädt zu Projektionen ein, etwa dazu, in der Palette von Paula Modersohn-Becker deren kräftige Strichführung zu erkennen, oder durch die Farbschattierungen von Vincent van Gogh dessen bekannteste Gemälde vor dem inneren Auge auftauchen zu lassen.
Zwischen 2004 und 2008 fotografierte Schaller für die Reihe „Purple Desk“ die Arbeitszimmer der höchsten Mitarbeiter der Zentralverwaltung der römisch-katholischen Kirche, der Kurienkardinäle des Vatikans. Die Bilder provozieren dazu, sie nach Spuren des religiösen und bürokratischen Wirkens abzusuchen. Schaller hat im Vorfeld alle persönlichen Gegenstände akribisch entfernt: Nicht das Abbild des Individuums, sondern das Porträt einer Institution steht im Fokus seines Interesses.
Zwischen Kinderkult und Weltall
Die Serie „Echokammer“ ist ein Porträt der Stadt Neapel, in der Schaller einen großen Kinderkult entdeckte. Von 2002 bis 2003 besuchte er dort Familien, um die Zimmer der Kinder zu fotografieren. Die meisten von ihnen hatten vorab akribisch aufgeräumt. Die penible Ordnung trägt zum gespenstischen Eindruck der Bilder bei, in denen die, die sie bewohnen, fehlen. Die Serie spielt mit der Ambivalenz von Schutz und Ausgeliefertsein, die auch die Lage Neapels mit seiner Nähe zum Vulkan Vesuv prägt.
In den „Disportraits“ (2008–2009) spiegelt sich schwarze Leere in den Scheiben von Astronautenhelmen, die den Blick auf ihrer Träger:innen verwehren. Die Serie verdeutlicht, wie Schallers Spiel mit An- und Abwesenheit die Grenzen des Genres Porträt und die eigenen Erwartungen herausfordert. Obwohl es sich um authentische Raumanzüge handelt, steht im Zentrum nicht die Person, sondern deren leere Hülle. In das Visier des Helmes hat er nachträglich die Spiegelung des Mondes eingearbeitet. Wie der Mond um die Erde, dreht sich die Kamera um die Figur, die ihr Gesicht jedoch nicht preisgibt.
Ausstellung „Porträts“ von Matthias Schaller im NRW-Forum
Vom 11. Februar bis 22. Mai 2022
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag: 11-18 Uhr, Donnerstag: 11-21 Uhr
NRW-Forum Düsseldorf, Ehrenhof 2, 40479 Düsseldorf
https://www.nrw-forum.de/ausstellungen/matthias-schaller
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