Non-Fungible Tokens – kurz NFT – liegen seit geraumer Zeit im Trend. Wolfgang Heinen hat sich Gedanken dazu gemacht, welche Auswirkungen die Technologie auf die Imaging-Branche und auf Fotograf:innen hat. Ein Kommentar.
Was bisher geschah – und auch Fotokünstler aktuell in einen exzessiven Gold-Rausch versetzt: Ein Grafikdesigner namens Mike Winkelmann, „Beeple“ genannt, zeigt seit 2007 täglich ein neues Bild auf Instagram und verkauft im Dezember 2020 auf einem Marketplace für digitale Kunst 20 seiner Werke für sagenhafte 3,5 Millionen Dollar. Und das war erst der Anfang: Für die Collage “Everydays: The First 5000 Days“, für die er 5000 Fotos dieses Projektes zu einem einzelnen JPEG kombiniert hat, zahlte ein Sammler aus Singapur 69.346.250 Dollar.
Der Kunstmarkt hat Schnappatmung. Aber taugen NFTs von Fotografien tatsächlich, um mit (alten und neuen) Bildern viel Geld zu verdienen? Tatsache ist: Die Verwandtschaft der Token mit der Blockchain-Technologie macht Kunstwerke ziemlich sicher vor Fälschung und Zerstörung. Nicht zuletzt beflügelt die Tatsache, dass man durch die Kryptotechnologie auch viele einzelne Teile von Kunstwerken verkaufen kann, die Fantasie der Macher und Marktgestalter. Aber reicht das für einen echten Trend statt kurzfristigem Hype?
NFT: Zwischen Hype und Nutzen
Alexander Bechtel, Digital-Asset-Manager der Deutschen Bank, sortiert den NFT-Boom so ein: „95 Prozent sind Hype und 5 Prozent interessante Technologie. Sehr viele Projekte werden massiv an Wert verlieren.“ Eine Begründung dafür liefert Kolja Reichert, Kurator der Bundeskunsthalle in Bonn und Autor eines aktuellen Buches über den Kryptokunstmarkt: „Der NFT-Hype ist ein großer Triumphzug der Hobbykunst.“ Dazu zählen nicht wenige Experten auch das oben zitierte, hochdotierte Werk von Beeple.
Wenn jeder seine Bilder oder Teile davon als NFT auf Verkaufsplattformen anbietet, passiert eben das, was auch den Bilder-Stockmarkt pulverisiert hat: Das Überangebot macht jeglichen Marktwert zunichte. Und auf der anderen Seite: Vielleicht zieht die Horde investitionsfreudiger Krypto-Junkies in Kürze weiter zum nächsten Hype. Soll ja vorkommen, auch in der Fotobranche: Unzählige Anläufe zur Etablierung von 3D-Bildern oder die Gaga-Hysterie rund um Lichtfeldtechnologie sind nur wenige Beispiele aus unserer Branche.
Parallelen zum Goldrausch
Wer wird gewinnen? Die Parallelen zum Goldrausch im Amerika der 1800er Jahre sind frappierend: Die Tagträumer, die jahrelang in den Flüssen und Minen nach Gold suchten, gingen fast alle leer aus. Die ganz wenigen, die das Schürfen professionalisierten und im großen Stil betrieben, wurden oft ziemlich reich. Ganz sicher wurden diejenigen wohlhabend, die den Diggern und Minenbesitzern Schaufeln, Siebe, Nahrung und Kleidung verkauften. Aber auch da galt: Der Gold-Rausch war eben dann auch irgendwann zu Ende. Für alle.
Was bleibt? Mit neuen Technologien zu „spielen“ ist immer sinnvoll, so auch mit NFT. Vor allem auch deshalb, weil die Potenziale wie auch die Fallstricke alle noch zu wenig bekannt sind. Heißt: Kontrolliertes Experimentieren ist angesagt. Ansonsten liegt man mit folgender Erkenntnis nicht falsch: Auch im Kunstmarkt der Zukunft, in kommenden Metaversen und im aktuellen NFT-Kosmos sind für Fotografen und Sammler einzigartige Originale (weiterhin) das Maß aller Dinge. In einem Stück und in ihrer ganzen Pracht.