Der indische Fotograf Sourav Das ist mit dem Titel „Friedensbild des Jahres“ beim Global Peace Photo Award 2022 ausgezeichnet worden. Das Siegerbild entstammt seiner Reportage „A Small yet Great Victory Over the Pandemic – Ein kleiner, großer Sieg über die Pandemie“.
Bereits zum zehnten Mal fand der internationale Fotowettbewerb Global Peace Photo Award statt. 14.157 Bilder aus 115 Ländern waren eingereicht worden. Die meisten Einreichungen kamen aus China, Russland, Indien, USA und dem Iran. Juriert wurden die Einreichungen von einer hochkarätigen, internationalen Jury. In der vergangenen Woche sind nun die Gewinner:innen im Österreichischen Parlament mit der Alfred-Fried-Friedensmedaille ausgezeichnet worden. Die Keynote des Abends hielt Alexander Cherkasov, der das Memorial Human Rights Centre repräsentiert, das am 10. Dezember 2022 in Oslo den Friedensnobelpreis erhalten wird.
In seiner Begrüßung betonte Wolfgang Sobotka, der Präsident des Österreichischen Nationalrates, die außergewöhnliche Zusammenarbeit mit dem Global Peace Photo Award und wie wichtig es ist, in diesen Zeiten dem Frieden ein Forum zu bieten. Dieses Bekenntnis wird in Zukunft auch im Österreichischen Parlament noch deutlicher spürbar sein. Die Bilder der Preisträger werden im Auditorium für jeweils ein Jahr gezeigt. Das ist jener Raum, in dem vorwiegend die Pressekonferenzen stattfinden werden.
Die Preisträger:innen des Global Peace Photo Awards 2022:
- Ana Maria Arévalo Gosen aus Venezuela für „Sinfonía desordenada –
Eine wilde Sinfonie“ - Artem Humilevski aus der Ukraine für „Giant. Riese.“
- Mary Gelman aus Russland für: „Minya und Tatjana“
- Maryam Firuzi aus dem Iran für „The Scattered Memories of Distorted Future –
die verstreuten Erinnerungen einer „verzerrten“ (ungewissen?) Zukunft“ - Sourav Das aus Indien für „A Small yet Great Victory Over the Pandemic“ –
Ein kleiner, großer Sieg über die Pandemie
Das Friedensbild des Jahres 2022
Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an den indischen Fotografen Sourav Das mit einem Bild aus seiner Reportage „A Small yet Great Victory Over the Pandemic“. Sein Bild berichtet darüber, wie während des weltweiten Corona bedingten Bildungsnotstandes die Initiative des indischen Lehrers Deepnarayan Nayak die Wände der Häuser seines Dorfes in Schultafeln verwandelte.
Für Millionen Mädchen und Jungen hat Corona bedeutet, dass sie oft über Monate hinweg keinerlei Schule mehr besuchen konnten. Die Pandemie hatte einen weltweiten Bildungsnotstand geschaffen, der mehr war als ein Verlust im Erlernen des kleinen Einmaleins: In vielen armen Ländern bedeutete das Schließen der Schulen auch, dass Kinder die einzige feste Mahlzeit am Tag nicht mehr bekommen haben.
Ausnahmen gab es etwa in Form von Initiativen wie jene des indischen Lehrers Deepnarayan Nayak, der die Schule in seinem Dorf kurzerhand ins Freie verlegte. Er hat die Wände der Häuser in Schultafeln verwandelt. Er hat die Vorsichtsmaßnahmen gegen eine Infektion auf die Wände gemalt, er lehrte die Kinder im Umgang mit Masken und ließ sie in Sicherheitsabständen Schule im Freien absolvieren, selbst das Fach Biologie inklusive eines Blickes durchs Mikroskop.
Recht auf Bildung
Der indische Fotograf Sourav Das hat Szenen aus dem Alltag dieser ungewöhnlich kreativen und liebenswerten Dorfschule eingefangen. Er hat dieser friedvollen Aktion ein kleines Denkmal gesetzt. Und auf kleinster denkbarer Ebene ist hier einer der 54 Artikel der UN-Kinderrechtskonvention umgesetzt: das Recht auf Bildung.
Sourav Das, geboren 1987, bezeichnet übrigens auch seine Kamera als ein Instrument des Lernens. Er beruft sich dabei auf den berühmten Fotografen Henri Cartier-Bresson, wenn er sagt: „Mit einem Auge schaust du auf die Welt, mit dem anderen in dich selbst hinein.“ 2011 hat Das einen Master in Arts gemacht, sich danach auf die Fotografie konzentriert. Er versteht sich als Street Photographer, will sozialen Wandel in seiner Gesellschaft dokumentieren. Der Fotografie traut er zu, ähnlich aussagekräftig zu sein wie eine Novelle, ein Lied oder ein Gemälde.
The Children’s Peace Image of the Year 2022
Das mit 1000 Euro dotierte beste Friedensbild in der Kinder- und Jugendkategorie, „The Children’s Peace Image of the Year 2022“, gewann die 10-jährige Zoya Yeadon aus Mauritius. Ihr Foto „Dreaming in the Peaceful Sea” zeigt das von Lichtreflexen und Blau umgebene scheinbar schwerelose Schweben und Träumen in einer friedlichen See.
Zoya Yeadon ist eine gute Schwimmerin. Aber das ist nun das Unspektakulärste, was sich über sie sagen lässt. Auf Mauritius geboren, ist sie eigentlich, wie ihr Vater sagt, „im Herzen eine Nomadin“. Neugierig auf die Welt. Die letzten fünf Jahre hat sie in einem Wohnmobil verbracht, dabei mehr als 80 Länder bereist. Unterrichtet wird sie in einem Programm der Wolsey Hall Oxford, einem homeschooling college, vielleicht der berühmtesten, mindestens einer der ältesten Schulen dieser Art, 1894 gegründet. Ihre besten Fächer? Geographie natürlich. Und Mathematik und Englisch. Aber neben ihrer Muttersprache beherrscht Zoya recht gut auch Russisch und Französisch. Ihr Vater beschreibt sie als „erstaunlich belastbar“ und „unerschütterlich in einer Krise“. Als fröhlich und furchtlos.
Zoya fotografiert mit einer Leica ihres Vaters. „Und gäbe es ihn, müssten wir Zoya heute noch mit einem weiteren Preis ausstatten. Sie hat die nun wirklich längste Anreise hinter sich, die wohl jemals eine Preisträgerin, ein Preisträger auf sich genommen hat, um an diesem schönen Abend dabei zu sein. In Dubai gelandet, ist sie bereits am 10. Oktober in Richtung Wien gestartet. Im Auto ihres Vaters via Saudi-Arabien, Jordanien, Israel, dann per Fähre nach Griechenland …“, erzählte Laudator Peter-Matthias Gaede.
Frieden ist gelungenes Leben
Der Preis wurde von Frau Professor Elisabeth Stadler, Vorstandsvorsitzende der Vienna Insurance Group (VIG), übergeben: „Die Vienna Insurance Group ist seit der ersten Stunde Unterstützer des Global Peace Photo Awards und hat bisher die Auszeichnung für das Kinder-Friedensbild unterstützt. Nun weiten wir unsere erfolgreiche Zusammenarbeit aus und haben eine dreijährige Kooperation als Hauptsponsor unterzeichnet. Als Unternehmen brauchen wir – wie Menschen – ein friedliches Umfeld, um nachhaltig und erfolgreich wirtschaften zu können.“
Lois Lammerhuber, der gemeinsam mit seiner Frau Silvia Lammerhuber den Global Peace Photo Award initiiert und seit Anbeginn organisiert hat, erinnerte daran, dass „Frieden nicht die Abwesenheit von Krieg ist, sondern etwas, das ich als „Gelungenes Leben“ bezeichnen möchte. Jedes Jahr berühren uns die eingereichten Fotos und Geschichten aufs Neue mit ihrer Kreativität und Passion für das Gute und Friedvolle auf dieser Welt.“
Friedensnobelpreis-Organisationen zu Gast
Die Keynote des Abends hielt Alexander Cherkasov, der das Memorial Human Rights Centre repräsentierte, das am 10. Dezember in Oslo den Friedensnobelpreis 2022 erhalten wird. Das Memorial Human Rights Centre erhält den Preis gemeinsam mit dem Center of Civil Liberties aus der Ukraine – dessen Vorsitzende Oleksandra Matviichuk eine Videobotschaft geschickt hatte – und dem belarussischen Dissidenten und Menschenrechtler Ales Bjaljazki.
„In der Tat hat Memorial viele Jahre lang versucht, etwas Ähnliches zu tun wie die Preisträger der heutigen Zeremonie: Die Vergangenheit aufzuzeichnen, die totalitäre Vergangenheit Russlands und Europas im zwanzigsten Jahrhundert, das Jahrhundert der totalitären Imperien, um zu verhindern, dass dies wieder geschieht. […] Durch die Magie der Fotografie, durch die Magie des Lichts halten Sie den Moment an. Mit einem Blitzlicht erleuchten Sie die Seelen der Menschen. Ich würde gerne glauben, dass wir eine gemeinsame Sache verfolgen“, sagte er.
Alfred-Fried-Friedensmedaillen 2022
Ana Maria Arévalo Gosen
Die in Spanien lebende venezuelanische Fotografin Ana Maria Arévalo Gosen erhielt für ihre Arbeit „Sinfonía desordenada (Eine wilde Sinfonie)“ die Alfred-Fried-Friedensmedaille 2022. Musik als Chance zur Heilung, als Kraftzentrum, als Weg in die Gemeinschaft und Befreiung aus der Gewalt: Ana Maria Arévelo Gosens Foto-Reportage spielt vor dem Hintergrund großer Krisen im Land ihrer Geburt, in Venezuela. Einer sozio-ökonomischen und politischen Krise, verschärft durch die Corona-Pandemie mit den bekannten Folgen vor allem für Kinder und Jugendliche in Ländern des globalen Südens.
Es geht hier um ein Projekt, junge Menschen vor einem Absturz ins Drogen- und Kriminellen-Milieu zu retten. Durch die Integration in ein Jugend-Orchester. Eine Initiative der Sinfónica Gran Mariscal de Ayacucho unter Elisa Vegas, der einzigen Dirigentin eines venezolanischen Sinfonie-Orchesters. Und gemeinsam mit dem Grammy-Nominierten Sänger Horacio Blanco. Mitglieder des professionellen Ensembles schlossen sich dafür mit street kids zusammen für eine Serie von Arrangements zusammen. Spielten Klassiker aus dem Repertoire der bekannten Ska-Band „Öffentliche Unruhe“ ein. Die Aufnahmen wurden an verschiedenen Wohnorten während des Lockdowns gemacht, mit dem Handy, dann gemixt. Schließlich gab es auch zwei öffentliche Konzerte auf der Straße. „Ein Geschenk an die Hoffnung“ bezeichnet die Fotografin das Projekt.
Artem Humilevskiy
Auch der ukrainische Fotograf Artem Humilevskiy wurde für seine Arbeit „Giant. (Riese.)“ mit der Alfred-Fried-Friedensmedaille 2022 ausgezeichnet. Sein Werk zeigt einen schwergewichtigen Mann, der merkwürdige bis liebenswerte Posen einnimmt. Er wirkt schamfrei und löst Verwunderung aus. Sein Werk stürzt die Jury in Fragen, die, wissend, dass er seine Bilder aus der Ukraine eingesandt hat, nachhakt: Warum macht er das? Wer ist er? Was will er uns mitteilen?
Dazu hat Artem Humilevski an den Rand von „Riesig“ Folgendes notiert, und es hat mit der Corona-Pandemie zu tun: Einer Zeit, von der er schreibt, es hätten in ihr ja nicht nur Staaten ihre Grenzen geschlossen. Sondern im Grunde auch jedes Individuum habe sich abkapseln müssen. Der Nachbar sei zur Gefahr geworden, einschließen hätten wir uns müssen. Und dabei seien wir uns selber begegnet – oft intensiver, als uns das gut getan hätte. Auch unserer inneren Leere seien wir dabei begegnet. Und das sei die Zeit gewesen, als er beschlossen habe, sich selber zu portraitieren. Und damit das nicht tragisch werde, habe er es selbst-ironisch angelegt. Und zugleich sei das sein Weg gewesen, sich selber zu akzeptieren. Ein Tagebuch sei so entstanden, ein Plädoyer für Empathie und Offenheit.
Mary Gelman
Eine Alfred-Fried-Friedensmedaille 2022 ging auch an Mary Gelman aus Russland für ihre Arbeit „M+T (Minya und Tatjana)“. Wie magisch angezogen war die Jury von der ungeheuren Intensität und Intimität, mit der Mary Gelman am Leben dieser zwei Menschen mit Down Syndrom hat teilhaben lassen. Minya und Tatyana. Ihre Fotografie reicht an die Ikonographie alter Malerei heran. Diese Suggestion der zwei so besonderen Gesichter über der Kerze! So etwas Inniges, auch Irritierendes, so etwas Geheimnisvolles, so etwas Schönes, sieht man sehr selten. So etwas Friedliches. So etwas Zartes.
Minya und Tatyana lernten sich 1995 kennen und lieben. Doch Tatyana lebt nicht mehr, sie wurde von Corona hinweggerafft. Es ist ein Requiem auf sie. Ein Requiem auf die Kraft der Zuneigung. Auf die Geborgenheit. Auf die Schönheit der Einvernehmlichkeit. Auf den Trost, der aus Zuwendung kommen kann. Jenseits auch nur der geringsten Spur der bedauerlichen anderen Gewissheit, dass der Mensch auch des Menschen Wolf sein kann. Und es oft genug ist.
Mary Gelman war zunächst nur einen Tag lang im Dorf von Minya und Tatyana, ist dann aber über fast zwei Jahre lang immer wieder zu ihnen zurückgekehrt, vorsichtig und mit der Klugheit einer zarten Beobachterin. Sie hat Soziologie studiert, befasst sich – immer auch sehr grundsätzlich und als Studierende – mit Geschlecht und Körperlichkeit, Grenze und Identität und Diskriminierung und arbeitet als Fotografin dagegen an. Gewalt gegen Frauen in der russischen Gesellschaft ist eines ihrer Themen, auch „Fatphobia“, wie sie den Ekel vor Übergewichtigen nennt, Scham und Ausgrenzung, die russische Diffamierung von LGBTQ waren schon ihre Themen.
Maryam Firuzi
Die iranische Fotografin Maryam Firuzi wird für ihre Arbeit „The Scattered Memories of a Distorted Future (Die verstreuten Erinnerungen einer verzerrten Zukunft)“ ebenfalls mit einer Alfred-Fried-Friedensmedaille 2022 geehrt. Maryam Firuzi hat der ihrer Arbeit einen sehr rätselhaften Titel gegeben. Sind Erinnerungen an die Zukunft möglich? Bedeutet es, dass sich Vergangenheit wiederholen wird? Und bedeutet das Düsternis, Rückkehr zu leidvollen Erfahrungen?
Klar ist: Maryam Firuzi ist eine Stimme der iranischen Frauen. War es schon, bevor das mutige Aufbegehren vor allem junger iranischer Frauen gegen die Macht einer so genannten Sittenpolizei begann, die Frauen vorschreibt, wie sie sich nach Ansicht eines überkommenen Männer-Regimes zu kleiden und zu benehmen haben.
Zu sehen ist ein Fotoprojekt, das aus einer tiefen Melancholie der Autorin entstanden ist: Sie selber schreibt von Trauer und Verzweiflung, von Krisen aller Art, politischen, ökonomischen, ökologischen, von Fluchtgedanken, von der Pandemie. Sie beschreibt sich selber als „zerstörten Platz“. Folglich hat sie Ruinen zum Schauplatz ihrer Arbeit gemacht. Und in diese aber hat sie Frauen und ihr künstlerisches Werk gestellt, von denen sie sich „Heilung“ erhofft. Inspiration und Wirkung. In aufgegebenen Schulen sehen wir sie, in verlassenen Bahnhöfen, Tankstellen, Garagen. In den Gemäuern ehemaliger Weinkeller, Theater, eines Badehauses.
Und all das ist ein einziges Plädoyer für die Kraft von Frauen. Für die Kraft dieser Frauen, trotz allem im Land zu bleiben. Und nicht zu schweigen. Und nicht klein beizugeben. Es geht um eine Ermutigung. Um eine Respektbezeugung für die, die noch träumen. Und das hat die Jury davon überzeugt, diese wunderbare Arbeit von Maryam Firuzi als einen Ruf nach Frieden auszuzeichnen.
Weitere Informationen findest du hier: www.friedaward.com