Der international renommierte Fotowettbewerb Leica Oskar Barnack Award (LOBA) geht 2022 in seine 42. Runde. Insgesamt zwölf Fotograf:innen haben es als Finalisten auf die diesjährige Shortlist geschafft. Alle Bildserien der LOBA-Shortlist sind ab sofort unter www.leica-oskar-barnack-award.com zu entdecken.
Auf der Grundlage der eingereichten Vorschläge von rund 60 hochrangigen internationalen Fotografieexperten aus 34 Ländern hat die diesjährige Jury die LOBA Shortlist 2022 bestimmt. Der Leica Oskar Barnack Award Newcomer, der an Fotografen unter 30 Jahren geht, wird in diesem Jahr erstmals in Kooperation mit und durch die Vorschläge von internationalen Institutionen und Hochschulen aus 15 Ländern ausgewählt. Aus Deutschland beteiligte sich die Hochschule Hannover, die mit ihrer Ausbildungssparte Bildjournalismus und Dokumentarfotografie zu den renommiertesten Ausbildungsorten des Landes gehört. Neben europäischen Hochschulen aus Frankreich, Großbritannien, Italien und Österreich gab es weltweit weitere Kooperationspartner.
Bis zum Oktober werden die Serien aller Finalisten der diesjährigen Shortlist auf der LOBA-Website näher vorgestellt: www.leica-oskar-barnack-award.com. Am 20. Oktober werden die Gewinner in der Haupt- und in der Newcomer-Kategorie mit der Preisverleihung in Wetzlar im Rahmen eines großen Fests der Fotografie geehrt, bei dem auch der Leica Hall of Fame Award verliehen wird. Im Anschluss an die Preisverleihung werden alle LOBA-Serien im Ernst Leitz Museum in einer großen Ausstellung und in einem begleitenden umfangreichen Katalog präsentiert. Nach der Ausstellung in Wetzlar wird der LOBA 2022 in weiteren Leica Galerien und auf Fotofestivals weltweit zu sehen sein.
Der LOBA gehört zu den hoch dotierten und renommiertesten Auszeichnungen im Bereich der Fotografie: Die Gewinnerin oder der Gewinner des LOBA erhält 40 000 Euro und eine Leica Kameraausrüstung im Wert von 10 000 Euro, die Gewinnerin oder der Gewinner des Newcomer Awards 10 000 Euro und eine Leica Q2.
Die Serien der Shortlist-Kandidaten des LOBA 2022 im Überblick:
Lynsey Addario: Women on the Frontline of Climate Change
Die Folgen des Klimawandels aus vier Perspektiven: Die amerikanische Bildjournalistin (*1973) zeigt Feuerwehrfrauen in Nordkalifornien, indigene Frauen im brasilianischen Amazonasgebiet im Kampf gegen Brandrodung und Landaneignung, Frauen in Überschwemmungsgebieten im Südsudan und in Dürregebieten in Äthiopien. Die bildgewaltigen Aufnahmen verdeutlichen eindringlich, dass der fortschreitende Klimawandel jeden Aspekt des Lebens bedroht und vernichtet, egal ob in Nord- und Südamerika oder in Afrika.
Irene Barlian: Land of the Sea
Als größter Inselstaat der Welt ist Indonesien akut vom fortschreitenden Klimawandel betroffen, der die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen bedroht; ihre Vertreibung ist längst Gegenwart. Die Hauptstadt Jakarta ist heute bereits als die am schnellsten versinkende Millionenmetropole der Welt bekannt. Fotografie als Weckruf: Die indonesische Fotografin (*1989) dokumentiert in ihrer Serie eindringlich die humanitäre Krise und die Folgen der Überschwemmungen in den Küstenregionen.
Alessandro Cinque: Peru, a Toxic State
Auch heute noch ist der peruanische Bergbau durch neokoloniale Strukturen geprägt. In seiner schwarzweißen Serie dokumentiert der italienische Bildjournalist (*1988) seit rund fünf Jahren die gravierenden Folgen, die der hemmungslose Abbau von Bodenschätzen für die lokale Bevölkerung hat. Peru war zwar immer reich an Bodenschätzen, und der Bergbau ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor des Landes, doch die indigenen Gemeinschaften blieben arm und leiden unter der Zerstörung lebensnotwendiger Ressourcen.
DOCKS Collective: The Flood in Western Germany
Durch ungewöhnlich heftige Regenfälle und die daraus resultierende Hochwasserkatastrophe wurden im Juli 2021 ganze Regionen in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen verwüstet. Die Zerstörungen, das Leid und die Mühen des Wiederaufbaus dokumentierte über Monate das deutsche Fotografenkollektiv DOCKS. Zur 2018 gegründeten Gruppe gehören Aliona Kardash (*1990), Maximilian Mann (*1992), Ingmar Björn Nolting (*1995), Arne Piepke (*1991) und Fabian Ritter (*1992).
Valentin Goppel: Between the Years
Junge Erwachsene in Zeiten von Corona: Der deutsche Fotograf (*2000) spürt in seiner Serie den Auswirkungen der Pandemie auf seine Generation nach. Auch er erlebte das plötzliche Wegbrechen von Gewohnheiten und das Gefühl von Unsicherheit, das alle Pläne und die Zukunft bestimmen sollte. Corona erschien wie ein Katalysator für eine fortschreitende Desorientierung. Mit der Fotografie hatte er jedoch ein Werkzeug, seine Gedanken und Ängste besser zu verstehen und für die Verlorenheit Bilder zu finden.
Kiana Hayeri: Promises Written on the Ice, Left in the Sun
Nach dem Abzug der westlichen Truppen im Sommer 2021 aus Afghanistan wurde schnell deutlich, wie die Taliban innerhalb von wenigen Tagen alle Errungenschaften in den Bereichen Meinungsfreiheit, Frauenrechte und Bildung zunichte machten und durch Angst und Unsicherheit ersetzten. Seit mehr als sieben Jahren lebt die im Iran geborene und in Kanada aufgewachsene Fotografin (*1988) in Afghanistan und stellt immer wieder insbesondere die Lebenssituation von Frauen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit.
Nanna Heitmann: Protectors of Congo’s Peatland
Aktiver lokaler Klimaschutz mit globalen Auswirkungen: In ihrer Serie stellt die deutsche Fotografin (*1994) Bewohner des Dorfes Lokolama in der Demokratischen Republik Kongo vor, die entschlossen sind, die bisher unangetasteten riesigen Torfgebiete in ihrer Region gegen drohende Rodung und Ressourcenabbau zu verteidigen. Enorm wichtig für das Weltklima, denn dort liegt eines der größten tropischen Torfgebiete der Erde, ein ökologisches Wunderwerk, das viele Milliarden Tonnen von Kohlenstoff speichert.
M’hammed Kilito: Before It’s Gone
Oasen sind ein wichtiges ökologisches Bollwerk gegen die Wüstenbildung und ein Ort biologischer Vielfalt. Hierfür sind neben Wasserreichtum und der richtigen Bodenqualität die Dattelpalmen entscheidend. Das Gleichgewicht dieser Faktoren ist durch den Klimawandel und den Eingriff des Menschen mehr denn je gefährdet. Mit seiner Serie gibt der marokkanische Fotograf (*1981) nicht nur Einblicke in ein sensibles Ökosystem, sondern auch in das immaterielle Erbe der Nomadenkultur seines Heimatlandes.
Léonard Pongo: Primordial Earth
Inspiriert von den Traditionen, der Handwerkskunst und landestypischen Mythologien, widmet sich die Serie der Landschaft der Demokratischen Republik Kongo. Dabei ist der Zugang des belgischen Fotografen und bildenden Künstlers (*1988) höchst subjektiv. Unter Überschreitung der materiellen Grenzen der Fotografie werden die Themen Entstehung, Apokalypse und ewige Wiederkehr zu einer allegorischen Erzählung über die Geschichte der Menschheit und des Planeten – mit dem Kongo als Zentrum.
Victoria Razo: Haitian Migration Crisis
Im Mittelpunkt der Serie steht die Familie Dorjean-Desmornes, die von der mexikanischen Fotografin (*1994) über zweieinhalb Monate bei ihrer Migration in die USA begleitet wurde. Die Familie stammt ursprünglich aus Haiti und gehört zu den Tausenden von Menschen, die allein im September 2021 versuchten, über Mexiko in die USA zu gelangen. Stellvertretend steht das Schicksal der Familie für die vielen, die unter jahrelangen Mühen und Lebensgefahr mit der Migration in die USA auf ein besseres Leben hoffen.
Felipe Romero Beltrán: Bravo
In seinem fotografischen Essay stellt der in Spanien lebende kolumbianische Fotograf (*1992) die Grenzregion zwischen den USA und dem Norden Mexikos in den Mittelpunkt seiner Beobachtungen. Dabei definiert sich der Rio Bravo durch einen Doppelstatus: Er ist Fluss und Grenze zugleich. Das noch nicht abgeschlossene Projekt entstand auf der mexikanischen Seite. Alles scheint dort in der Schwebe zu sein, ob Personen, Objekte oder Architekturen: Alles definiert sich über die Grenzsituation.
Rafael Vilela: Forest Ruins – Indigenous Way of Life and Environmental Crisis in the Americas’ Largest City
Auch die größte Stadt der amerikanischen Kontinente steht auf ehemaligem Waldboden. Das indigene Volk der Guarani bewohnte früher große Waldregionen an der Küste Brasiliens. Eine der wenigen verbliebenen Zonen im Gebiet von São Paulo besteht heute aus sechs Dörfern mit etwa 700 Guarani Mbyá und ist das kleinste abgegrenzte indigene Land in Brasilien. Die Serie des brasilianischen Fotografen (*1989) widmet sich dieser indigenen Gemeinschaft und hinterfragt das gängige Stadtentwicklungsmodell in Zeiten des Klimawandels.