Morgen ist Berufungsverhandlung gegen das Freelens-Mitglied Carlotta Steinkamp vor dem Landgericht Wuppertal. Die Fotografin war im Mai wegen Hausfriedensbruchs verurteilt worden. Steinkamp hatte im Januar 2022 einen Polizeieinsatz gegen eine Waldbesetzung von Klimaaktivist:innen am Rande von Wuppertal begleitet. FREELENS, der Berufsverband der Fotograf*innen, unterstützt sie dabei.
Eines der Projekte der Fotografin Carlotta Steinkamp, die in Hannover Fotojournalismus und Dokumentarfotografie studiert, ist die Begleitung von Waldbesetzungen. Steinkamp interessiert sich für das Alltagsleben der Aktivist*innen, die gegen den Klimawandel kämpfen. Dieses Projekt hat sie auch nach Wuppertal geführt. Am Rand der Stadt im Bergischen protestierten Aktivist*innen mit einer Waldbesetzung gegen die Erweiterung eines Kalksteinbruchs. Ende Januar 2022 wurde die Besetzung durch die Polizei aufgelöst. Rund um das besetzte Waldstück wurde ein Zaun aufgestellt.
Carlotta Steinkamp befand sich während der Räumung auf einer Plattform in einem der Camps der Aktivist*innen. Auf Aufforderung der Polizei verließ sie die Plattform. Ihre Personalien wurden von der Polizei aufgenommen. Im Mai diesen Jahres fand vor dem Amtsgericht der erste Prozess statt. Wegen Hausfriedensbruchs wurde sie zu einer Strafe von 60 Tagessätzen in Höhe von 30 Euro verurteilt. Steinkamps Rolle als Fotojournalistin, die aus beruflichen Gründen im Wald war, wurde dabei nicht berücksichtigt.
Pressefreiheit gilt auch auch im Wald: Darum geht es im Berufungsprozess
Aus diesem Grund hat Carlotta Steinkamp Berufung eingelegt. Die fehlende Berücksichtigung von Steinkamps Rolle als Journalistin kritisiert auch ihr Anwalt Sebastian Nickel: “Schließlich hat das Amtsgericht nicht in ausreichender Weise beachtet, dass Frau Steinkamp nicht etwa als Privatperson, sondern in ihrer Eigenschaft als Pressevertreterin vor Ort gewesen ist und daher berechtigt war, sowohl die Räumung des Geländes als auch den Polizeieinsatz kritisch zu begleiten und zu dokumentieren.” Nickel erklärt: “Die verfassungsrechtlich abgesicherte Funktion der freien Presse ist unerlässlich für einen demokratischen Rechtsstaat. Versuchen, diese strafrechtlich zu be- oder verhindern, müsse mit Entschiedenheit entgegengetreten werden”, so Sebastian Nickel.
Carlotta Steinkamp ist das Berufungsverfahren wichtig, “um zu zeigen, dass es nicht nur um meine Pressefreiheit geht, sondern um die aller Journalist*innen”. Die Fotografin sieht auch eine politische Dimension in dem Verfahren: “Dass Deutschland in der von Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit seit Jahren immer schlechter abschneidet, wird explizit mit dem Verhalten der Polizei auf Protesten und Demonstrationen begründet. Mein Fall steht also exemplarisch dafür.”
Freelens steht hinter der Fotografin
FREELENS unterstützt Carlotta Steinkamp bei ihrer juristischen Auseinandersetzung. Vorstandsmitglied Roland Geisheimer, der schon den ersten Prozess im Frühjahr verfolgt hat, hat eine klare Erwartung an die Entscheidung des Gerichts: “Ich erwarte vom Landgericht Wuppertal, dass es anders als die vorhergehende Instanz die Sachargumente unseres Mitgliedes Carlotta Steinkamp vollumfänglich würdigt. Ist dies der Fall, dann kann es eigentlich nur eine Schlussfolgerung für die Richter*innen geben: die journalistische Tätigkeit unseres Mitglieds stand unter dem Schutz des Artikel 5 Grundgesetz und ist nicht strafbar. Journalist:innen müssen von solchen Räumungen berichten können.”
Berufungsverhandlung: Donnerstag, 21.12. 2023, 9:30 Uhr, Landgericht Wuppertal
Bericht im Vorfeld der ersten Verhandlung: https://freelens.com/politik-medien/es-ist-aufgabe-des-journalismus-solche-proteste-zu-begleiten/
Bericht vom ersten Prozess: https://freelens.com/politik-medien/sechzig-tagessaetze-fuer-fotojournalismus/
Statement des Rechtsanwalts
Sebastian Nickel (Rechtsanwalt):
Nach Auffassung der Verteidigung kann schon in tatsächlicher Hinsicht kein Tatnachweis des Hausfriedensbruchs gegen Frau Steinkamp geführt werden, da weder sicher festgestellt werden kann, dass sie widerrechtlich auf das Gelände eingedrungen sei noch dass sie eine an sie gerichtete Aufforderung, das Gelände zu verlassen, überhaupt mitbekommen habe. Auch in rechtlicher Hinsicht bestehen Bedenken dagegen, ob mit der kurzfristigen Einzäunung ausschließlich zum Zwecke der Räumung eine Strafbarkeit des Aufenthalts in einem sonst allgemein zugänglichen Waldgebiet begründet werden kann.
Schließlich hat das Amtsgericht nicht in ausreichender Weise beachtet, dass Frau Steinkamp nicht etwa als Privatperson, sondern in ihrer Eigenschaft als Pressevertreterin vor Ort gewesen ist und daher berechtigt war, sowohl die Räumung des Geländes als auch den Polizeieinsatz kritisch zu begleiten und zu dokumentieren. Die auch verfassungsrechtlich abgesicherte Funktion der freien Presse ist unerlässlich für einen demokratischen Rechtsstaat, und Versuchen, diese Arbeit durch strafrechtliche Repression zu behindern oder gar zu vereiteln, ist daher mit Entschiedenheit entgegenzutreten. Dies gilt um so mehr, als der rechtliche Vertreter der die Rodung des Waldgebiet betreibenden Firma vor Gericht keinen Hehl daraus gemacht hat, seine Strafanzeige gerade im Hinblick auf eine aus seiner Sicht unliebsame oder politisch falsch gefärbte Presseberichterstattung aufrechtzuerhalten.
Pressefreiheit gilt auch auch im Wald: Carlotta Steinkamps Position
Carlotta Steinkamp:
- 1. Die Berufung ist wichtig um zu zeigen, dass ich das Urteil nicht akzeptiere und dass es nicht nur um meine Pressefreiheit geht, sondern um die aller Journalist*innen, gerade derjenigen, die von (klimaaktivistischen) Protesten berichten und Haltung einnehmen.
- 2. Natürlich hab ich das jetzt im Hinterkopf wenn ich in Besetzungen und auf Demonstrationen fotografiere, aber eigentlich sollte ich deswegen nicht vorsichtiger sein müssen, da ich mich zu keinem Zeitpunkt rechtswidrig verhalten habe. Aber klar, es schwingt mit.
- 3. Die politische Dimension sehe ich auch darin, dass Deutschland in der von Reporter ohne Grenzen jährlich veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit seit Jahren immer schlechter abschneidet und das Verhalten der Polizei auf Protesten und Demonstrationen explizit als Grund dafür aufgeführt wird. Mein Fall steht also exemplarisch dafür.
Roland Geisheimer (FREELENS Vorstand):
Ich erwarte vom Landgericht Wuppertal, dass es anders als die vorhergehende Instanz die Sachargumente unseres Mitgliedes Carlotta Steinkamp vollumfänglich würdigt. Ist dies der Fall, dann kann es eigentlich nur eine Schlussfolgerung für die Richter*innen geben: die journalistische Tätigkeit unseres Mitglieds stand unter dem Schutz des Artikel 5 GG und ist nicht strafbar. Journalist*innen müssen von solchen Räumungen berichten können.
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