Mit dem K|Lens One hat das Start-Up-Unternehmen K|Lens in Kooperation mit Carl Zeiss Jena das weltweit erste, und in Deutschland entwickelte, Lichtfeldobjektiv vorgestellt. Die Technologie macht es möglich, mittels Tiefeninformationen zum Beispiel einen offenblendigen Bildcharakter mit einer großen Schärfentiefe zu kombinieren, und auf diese Weise ganz neue Looks zu kreieren. Das Objektiv lässt sich mit vielen verschiedenen Vollformatsystemen verwenden und erreicht eine optische Auflösung von bis zu 45 Megapixeln.
Wir haben mit dem K|Lens-CEO und Mitgründer Matthias Schmitz über den Erfolg der Kickstarter-Kampagne, über die Funktionsweise des Objektivs und über Unterschiede zu den damaligen Lichtfeldkameras des Herstellers Lytro gesprochen.
Matthias, als ihr die Kickstarter-Kampagne für das K|Lens One gestartet habt, wurde das anvisierte Finanzierungsziel von rund 75.000 US-Dollar bereits am ersten Tag erreicht. Wie sehr hilft euch dieser Erfolg bei der Umsetzung des Projekts?
Das ist natürlich absoluter Wahnsinn. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie hoch die Spannung hier im Team war. Ich hätte mir nur gewünscht, dass der Kampagnen-Start nicht in ein COVID-Jahr gefallen wäre. Eine echte Launch-Party lässt sich per Videochat in MS Teams einfach nicht so schön umsetzen. Das muss also unbedingt nachgeholt werden. Wir sind unseren ersten Kunden für den Erfolg der Kampagne unglaublich dankbar. Wir wissen, dass sie ein Produkt kaufen, das einen hohen Preis hat und das vorab noch nicht wirklich getestet werden konnte. Umso mehr sehen wir die Bestellungen als Vertrauensvorschuss. Die Unterstützung der Early Adopter ist enorm wichtig. Sie hilft uns, Investoren zu überzeugen, wodurch eine Vorab-Finanzierung einer Fertigung überhaupt erst möglich wird. Also ein riesiges DANKE schon mal an dieser Stelle.
Die Lichtfeld-Technologie ist ein spannendes Thema, aber auch recht speziell. Welche Vorteile bringt sie Foto- und Videografen?
Wir haben uns in der Entwicklung darauf konzentriert, möglichst hochwertige Tiefeninformationen zu generieren und diese in der Nachbearbeitung nutzbar zu machen. Dadurch entstehen neue kreative Möglichkeiten. So können zum Beispiel alle Effekte, die Photoshop zu bieten hat, nun tiefenecht angewandt werden. Genauso lassen sich auch Bildebenen segmentieren. Darüber hinaus sind viele andere Dinge denkbar. Das reicht von Perspektivwechseln über virtuelle Effekte bis hin zu Multi-Filteranwendungen. Aber ich will hier nicht zu viel von dem verraten, was noch in der Pipeline steckt.
Seht ihr den Einsatz des K|Lens One eher im professionellen Umfeld oder auch im Bereich der Hobby-Anwender?
Ich denke, unser Produkt spricht nicht den perfekten Handwerker, sondern eher den Kreativkünstler an. Und die finden sich sowohl unter den Profis als auch unter den Hobbyisten.
Das Thema Lichtfeld-Fotografie hat vor Jahren mit den Kameras von Lytro für großes Interesse gesorgt. Durch die damals sehr geringen Sensor-Auflösungen hatten die Kameras aber kaum eine Chance am Markt. Euer K|Lens One ist nun sogar für Vollformatkameras verschiedener Hersteller geeignet und erreicht eine optische Auflösung von bis zu 45 Megapixel. Wie ist euch das gelungen und wo siehst du die großen Vorteile eures Systems?
Leider gilt auch für uns die sogenannte ‚No-Free-Lunch‘-Theorie und so müssen auch wir für die Tiefeninformationen mit Einschränkungen bei der Auflösung leben – nur eben lange nicht in dem Maß, wie bei den Modellen von Lytro. Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir als reiner Objektivhersteller von den High-End Produkten der neuesten Kameragenerationen profitieren. Rechnet man die ‚Pixel Shift‘-Optionen mit ein, lassen sich hier auch mit Vollformatkameras schon deutlich mehr als 100 Megapixel erreichen. Laut der Gerüchteküche bei Canon und Sony soll künftig nochmal mehr auf uns zurollen. Auf diesen Sensoren setzen wir dann auf.
Hardwareseitig wird durch unser Objektiv die native Sensorauflösung zunächst durch neun geteilt. Mithilfe unseres ‚Superresolution‘-Verfahrens können wir dann insgesamt etwa die Hälfte der Sensorauflösung bewahren.
Neben dem Thema Auflösung ist uns aber auch die Kompatibilität wichtig. Unser Objektiv kann mit allen Vollformatkameras kombiniert werden, und unsere Daten lassen sich in alle Post-Processing Tools einlesen. Der alt-bewährte Workflow von Foto- und Videografen bleibt also voll erhalten.
Mit dem K|Lens One werden beim Auslösen der Kamera gleichzeitig neun leicht versetzte Perspektiven von ein und demselben Motiv aufgenommen. Wieso genau neun Aufnahmen? Was steckt hinter dieser Zahl?
Stellt euch vor, ihr betrachtet die Szene durch ein Kaleidoskop. Nichts anderes passiert beim Einsatz der K|Lens One-Objektive. Gehen wir mal alle Perspektiven durch: Die erste sehen wir durch die Mitte hindurch. Über zwei vertikale und zwei horizontale Spiegel kommen vier weitere Perspektiven hinzu. Bei den zusätzlichen vier Perspektiven handelt es sich um Doppelreflektionen – also solche, die jeweils in einen vertikalen und einen horizontalen Spiegel gefallen sind. Somit wird eine Matrix aus 3×3=9 Perspektiven aufgenommen.
Die Zahl Neun wurde gewählt, da man damit den Sensor voll ausnutzt. Es wäre auch möglich, 5×5 Perspektiven aufzunehmen. Hier würde aber wieder die Auflösung leiden. Die Zahl neun ist also ein Kompromiss aus hinreichend vielen Perspektiven und maximaler Auflösung bei voller Ausnutzung der Sensorfläche.
Mit einer maximalen Blendenöffnung f/6,3 wirkt das K|Lens One vor allem für Porträts nicht allzu lichtstark. Hat das technische Gründe?
Die genaue Antwort ist relativ kompliziert, da sich die Frage nach dem Vergleichssystem stellt. Wir haben die konservative optische Leistungsfähigkeit angegeben – also die Belichtung, die man tatsächlich auf dem Sensor erhält. Nun erzeugen wir allerdings neun Bilder, die im Prinzip die gleiche Szene zeigen. Damit könnten wir eine digitale Mittelung vornehmen, um das Signal-zu-Rauschverhältnis zu verbessern. Da man bei dieser Mittelung den Wert der optischen Blende (in unserem Fall f/6,3) durch die Wurzel der Anzahl der Lichtfeldbilder teilt, kämen wir in diesem Fall auf eine äquivalente Blendenöffnung von f/2.1.
Diesen Weg ist damals Lytro gegangen, als die Lytro Illum mit f/2.0 beworben wurde. Lytro arbeitet in der Illum mit 50 Lichtfeldbildern. Berechnet man nun den umgekehrten Weg, um die äquivalente Blendenöffnung f/2,0, also die Mittelung, wieder in die optische Blendenzahl, also den tatsächlichen Lichteinfall auf dem Sensor, umzurechnen, müsste man bei der Lytro Illum mit der Formel 2,0 x die Wurzel aus 50 Lichtfeldbildern arbeiten. In dem Fall hätte man für die Lytro-Illum, unseren Schätzungen nach, eine optische Blendenzahl von f/14 angegeben müssen.
Wir haben uns entschieden, die optischen Parameter transparent zu kommunizieren und nicht die Mittelung, sondern die optische Blendenzahl anzugeben. Das hängt auch damit zusammen, dass bei der Lichtfeldfotografie üblicherweise auf eine hohe Schärfentiefe geachtet wird, damit der digitale Bearbeitungseffekt möglichst starke Auswirkungen zeigt. Hier hat die Blendenzahl die zusätzliche Aufgabe, diese Tiefenschärfe zu beschreiben. Sie ist daher auch eine Angabe, die den Umfokussierbereich einschätzen lässt. Eine genaue Studie unseres Mitgründers Ivo Ihrke zu diesem Thema ist zurzeit in Begutachtung bei der Fachzeitschrift OSA Continuum und wird in Kürze veröffentlicht. Dort sind die Eigenschaften der Lichtfeldoptik und die richtige Interpretation der Blendenzahl, sowie eine solide Vergleichsbasis zu Standardoptiken beschrieben.
Das K|Lens One ist eine 80-mm-Festbrennweite. Wiese habt ihr euch genau für 80 Millimeter entschieden? Sind grundsätzlich auch andere Brennweiten möglich?
Wir haben einen Trade-Off gesucht zwischen technischer Umsetzbarkeit in der ersten Version und einem hohen Anwendungsnutzen. 80 Millimeter ist eine Standardbrennweite mit vielen Einsatzmöglichkeiten. Zeitgleich war sie realisierbar. Andere Brennweiten sind aber ebenfalls möglich. Unser Objektiv besteht im Grunde aus drei Teilen. Der Frontteil unseres Objektivs entspricht sehr stark einem Standardobjektiv. Daran schließt ein Spiegeltunnel, oder Image Multiplier, an, der anschließend wieder in eine Standardabbildungsoptik übergeht. Im Labor verfügen wir über einen Adapter, mit dem wir fremde Festbrennweitenobjektive mit unserer Spiegelkonstruktion testen können. Das heißt, dass wir stark am Experimentieren sind, mit welcher Brennweite die nächste Version ausgestattet sein könnte.
In der von euch entwickelten Software SeeDeep werden von den importierten Fotos und Videos Tiefenkarten erstellt. Wie funktioniert das? Wie lange dauert so eine Berechnung im Schnitt? Und wird bei Videos im Grunde für jedes einzelne Vollbild eine eigene Tiefenkarte erstellt?
Zur Errechnung der Tiefeninformation werden Korrespondenzen zwischen den einzelnen Blickpunkten gesucht und dann miteinander verglichen. Aus dem Unterschied in den einzelnen Perspektiven, also dem Versatz, kann die Tiefeninformation bestimmt werden.
Ein einfaches Experiment dazu: Halte deinen Daumen in 20 Zentimeter Abstand vor die Szene. Schließe nun jeweils abwechselnd das rechte und das linke Auge und du wirst sehen, wie dein Daumen vor dem Rest der Szene ‚hin und her springt‘. Je stärker der Daumen springt, desto weiter ist er vom Hintergrund entfernt. Das ist der Effekt, den wir nutzen.
Im Videomodus erfolgt eine Berechnung auf Single-Frame Basis, die aber in das Gesamt-Video eingebettet wird. Denn auch aus aufeinanderfolgenden Frames können Tiefeninformationen errechnet werden. Wir nutzen hier also beide Effekte. Die Berechnungszeit sind wir momentan am Optimieren.
Über SeeDeep können 3D-Bilder erstellt werden. Lassen sich diese Inhalte auch auf normalen 2D-Displays anzeigen oder sind dafür spezielle Endgeräte nötig?
Wir haben Tests mit den 3D-Displays von Leia und The Looking Glass Factory durchgeführt. Zusätzlich haben wir Lentikular-Karten gedruckt. Auf 2D-Displays sehen wir den Effekt nur, wenn durch die Tiefeninformation ein dreidimensionaler Eindruck, zum Beispiel in Form eines Videos, simuliert wird. Dabei erscheint es dann, als ob dem Betrachter ein Gegenstand entgegenkommt. Genauso so eine Art der Plastizität entsteht bei der Darstellung einer Point Cloud.
Ihr habt das K|Lens One zusammen mit Zeiss entwickelt. Wie kam es zu der Kooperation?
Wir sind schon seit den ersten Anfängen in Kontakt. Unser Mitgründer Ivo hat ja auch eine Zeit dort gearbeitet. Die ersten Schritte haben wir aber mit Forschungspartnern gemacht. Konkreter wurde es circa im Jahr 2018 nach dem Gewinn des photokina Start-up Awards, als klar wurde, dass wir wirklich im Fotomarkt durchstarten wollen und einen Partner zur Fertigung gesucht haben. Seitdem arbeiten wir mit dem Team von Carl Zeiss Jena zusammen, und sowohl die technologische als auch die optische Qualität ist einfach überragend. Natürlich hat das auch seinen Preis…
Wie geht es bei euch weiter? Steht die Produktion der K|Lens One-Objektive nach dem bereits erreichten Finanzierungsziel der Kickstarter-Kampagne in den Startlöchern?
Das Objektiv ist ausentwickelt, eine Vorserie liegt uns bereits vor. Die Produktion kann also starten. Die erfolgreiche Kickstarter-Kampagne stellt für uns eine grundsätzliche Validierung des Marktinteresses dar. Sie ist für uns aber auch ein Mittel, um unsere Produktion einzusteuern. Je mehr Bestellungen wir bekommen, je stärker werden auch wir mit Zeiss in die Fertigung gehen. Das hat natürlich auch einen Einfluss auf den Preis, den wir in Zukunft anbieten können. Wir hoffen also auf viele weitere Bestellungen bis zum 29. Januar.
Weitere Informationen zu K|Lens:
www.k-lens.de
www.kickstarter.com/projects/k-lens-one/k-lens-one
UPDATE vom 28.01.2022
Ende Januar 2022 hat K|Lens bekanntgegeben, dass die Kickstarter-Kampagne für das K|Lens One aufgrund von Schwierigkeiten bei der Finanzierung abgebrochen werden muss. Wie das Start-Up mitteilte, könne die Produktion und die Lieferung des Lichtfeldobjektivs nicht garantiert werden.
„Wir sind sehr enttäuscht, dass wir nach fünf Jahren extrem harter Arbeit nun aufhören und bedauern, dass wir die Erwartungen der Community nicht erfüllen konnten” heißt es in einem Update der Kampagne. „Wenn wir ein Produkt versprechen, möchten wir auch liefern, was wir versprechen. Das ist etwas, was wir heute einfach nicht garantieren können. Wir werden hart daran arbeiten, in naher Zukunft einen Relaunch durchzuführen.”