Vom 13. April bis zum 7. Juli 2024 sind Rolf Tietgens Fotografien aus den 1930er Jahren in der Alfred Ehrhardt Stiftung zu sehen. Sie geben nicht nur einen besonderen Einblick in das Schaffen des hier unbekannten Künstlers, sondern auch in das Hamburg der 30iger Jahre.
Rolf Tietgens (1911-1984) ist einer der bedeutenden Fotografen der 1930er Jahre. In Deutschland ist der deutsch-amerikanische Fotograf allerdings weniger bekannt. Sein Werk geriet in Vergessenheit, nachdem er Ende 1938 nach New York emigrierte, da er wegen seiner Homosexualität in Deutschland von Verfolgung bedroht war. Da er zudem nie nach Deutschland zurückkehre, blieb sein Schaffen lange Zeit vergessen.
Heute gilt sein Buch Der Hafen, das 1939 im Zuge der 750 Jahrfeier des Hamburger Hafens im Heinrich Ellermann Verlag erschien, zu den besten Fotobüchern der 1930er Jahre. Sein Buch hat den wohl künstlerisch-anspruchsvollsten Ansatz zu diesem Thema und schreibt deutsche Fotogeschichte.
Der Künstler über das Werk „Der Hafen“
Tietgens setzt souverän das Vokabular des „Neuen Sehens“ ein, um in einer persönlichen Sichtweise den Bildern eine symbolische Dimension zu verleihen. Der Hafen erscheint als facettenreicher, archaischer Ort, an dem der mensch den Übergang von Wasser zu Land gestaltet hat.
Der Schiffsverkehr und die mit ihm verbundenen technischen Vorgänge sind dabei nur ein Teil eines komplexen Organismus, zu dem die Sphären von Architektur und Arbeit ebenso gehören wie die von Handel und nächtlichem Vergnügen.
In einem unveröffentlichten Werbetext hat Rolt Tietgens sein ästhetisches Konzept beschrieben: „Augenblicke aus der unbeständigen Erscheinungswelt des Hafens, deren Grundbild jedoch immer gleichbleibt, versuchten wir festzuhalten und mit anderen gebannten Augenblicken in Zusammenhang zu bringen. So ist ein Bilderbuch entstanden, durch das vielleicht vermittelt werden kann, was HAFEN bedeutet; abgesehen davon, dass versucht wurde, in ihm das Leben und die Einmaligkeit des Hafens von Hamburg zu veranschaulichen.“
Was in der Ausstellung zu sehen ist
Da sowohl Originalabzüge als auch die Negative von Tietgens Hafenbuch verschollen sind, wird die Bildabfolge gemäß des dem Buch zugrundeliegenden Konzepts gezeigt, und zwar in der authentischen Abfolge der fein komponierten Doppelseiten. Hinzu kommen Originalabzüge von der norddeutschen Küste und dem Elbestrand, wo das Formenspiel von Licht, Schatten, Himmel, Wasser und Sand fotografisch reizvolle Motive bot.
Erstmals werden in dieser Doppelausstellung auch die Hamburger Hafenbilder von Alfred Ehrhardt (1901-1984) gezeigt. Ehrhardts Fotografien aus den 1930er Jahren sind sachlicher. Sie erfassen den Hafen weniger als metaphorischen Raum, sondern vielmehr als dynamischen Ort des Industriezeitalters, der eine spezifische Technik hervorgebracht hat. Ehrhardt schafft gewissermassen ein Inventar ihrer Elemente, registriert unterschiedliche Schiffstypen, Ladebrücken, Kräne ebenso wie Schiffsschrauben oder Ankerketten als charakteristische Details. Besonders eindrucksvolle Aufnahmen gelingen ihm dort, wo jahreszeitliche Naturkräfte sichtlich Einfluss auf das Hafengeschehen nehmen, so wenn sich die Schiffe ihren Weg durch das Eis bahnen müssen. Man merkt diesen Bildern 5ene Vorliebe für Motive an, die Ehrhardts Rang als Naturfotograf begründet haben.
Die Poesie des Hafens und die ungeheure Vielfalt seiner ständig wechselnden Bilder haben schon Fotografinnen und Fotografen schon immer angezogen. Über den dokumentarischen Wert ihrer Aufnahmen hinaus wird das Werk der Fotografen als überzeitliche Poesie der maritimen Welt erfahrbar.
Mehr zur Ausstellung auf der Seite der Stiftung: www.aestiftung.de
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